Phonetik | Definition, Bereiche und Beispiele

Die Phonetik (altgriechisch ‚phōnētikós‘ = ‚zum Sprechen gehörig‘) ist ein Teil der Sprachwissenschaft, in der Laute (= Phone) untersucht werden.

Konkret wird untersucht, wie Laute produziert, übertragen sowie wahrgenommen und verarbeitet werden. Deshalb wird die Phonetik auch als ‚Lautlehre‘ bezeichnet.

Die drei Hauptbereiche der Phonetik sind:

  1. Artikulatorische Phonetik (= Produktion von Lauten)
  2. Akustische Phonetik (= Übertragung von Lauten)
  3. Auditive/Perzeptive Phonetik (= Wahrnehmung und Verarbeitung von Lauten)
Beachte
Die Phonetik ist eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin. Es gibt allerdings Überschneidungen mit anderen Disziplinen, z. B. der Neurologie und der Physik.

Während in der Neurologie untersucht wird, wie Laute konkret im Gehirn verarbeitet werden, wird in der Physik erforscht, wie sie durch Schall wahrgenommen werden.

Die drei Bereiche der Phonetik einfach erklärt

Die Phonetik lässt sich in drei wesentliche Bereiche unterteilen:

  1. Artikulatorische Phonetik
  2. Akustische Phonetik
  3. Auditive/Perzeptive Phonetik

1. Artikulatorische Phonetik

Bei der artikulatorischen Phonetik wird ermittelt, wie Laute durch Luftstromerzeugung bei der Ausatmung (= Initiation), Stimmgebung (= Phonation) und Aussprache (= Artikulation) produziert werden.

Beim Atmen entsteht ein Luftstrom in der Lunge, der in den Kehlkopf gelangt. Im Kehlkopf bringt der Luftstrom die Stimmlippen zum Schwingen, wodurch unsere Stimme erzeugt wird. Der Luftstrom strömt dann in den Rachen und in den Mund, wo Laute gebildet werden.

Deshalb ist es in der artikulatorischen Phonetik vor allem wichtig, unsere Artikulationsorgane, z. B. die Lippen und die Zunge, zu kennen. Denn je nach Position und Bewegung unserer Artikulationsorgane werden verschiedene Laute gebildet.

Beispiel: artikulatorische Phonetik
Die Laute [b] und [p] werden durch die Bewegung der Ober- und Unterlippe erzeugt. Das kannst du selbst testen, indem du die Laute aussprichst.

2. Akustische Phonetik

Bei der akustischen Phonetik wird untersucht, wie Laute als Schallwellen in der Luft übertragen werden. Es geht also darum, wie die Laute des Sprechers oder der Sprecherin zum Empfänger oder zur Empfängerin gelangen.

Hierfür werden physikalische Größen wie die Amplitude (= Ausmaß einer Schwingung) und die Frequenz (= Anzahl an Schwingungen) betrachtet. Mithilfe dieser physikalischen Größen können Aussagen über die Lautstärke und Tonhöhe getroffen werden.

Die Erforschung der Übertragung von Lauten als Schallwellen ist auch Teil der Physik, genauer gesagt der Akustik.

Beispiel: akustische Phonetik
Du kannst ein akustisches Signal wie deine Stimme grafisch darstellen lassen, z. B. mit einem Oszillografen. Ein Oszillograf ist ein Gerät zur Aufzeichnung physikalischer Größen wie der Amplitude und der Frequenz.

Mithilfe der Amplitude kann die Lautstärke beim Sprechen untersucht werden. Wenn du laut sprichst, siehst du auf dem Bildschirm hohe Ausschläge; die Amplitude ist also höher.

Wenn du hingegen leise spricht, sind die Ausschläge auf dem Bildschirm kleiner. Also ist auch die Amplitude niedriger.

Die Frequenz gibt wiederum Einblick in die Tonhöhe beim Sprechen. Wenn du in einer hohen Tonhöhe sprichst, fällt auch die Frequenz größer aus. Wenn du in einer tieferen Tonhöhe sprichst, fällt die Frequenz kleiner aus.

3. Auditive/Perzeptive Phonetik

Bei der auditiven/perzeptiven Phonetik steht die Wahrnehmung und Verarbeitung von Lauten im Gehör und im Nervensystem im Vordergrund.

Hier wird untersucht, wie Laute als akustische Signale im Gehör aufgenommen, an das Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet werden.

Es ist deshalb entscheidend, zu wissen, wie unser Hörorgan aufgebaut ist und was in unserem Gehirn passiert, wenn wir Laute hören bzw. aufnehmen.

Beispiel: auditive/perzeptive Phonetik
Das Gehör einer Person mit Schwierigkeiten bei der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung funktioniert in der Regel problemlos. Die Person kann aber ähnlich klingende Laute nicht richtig voneinander unterscheiden, z. B. [b] und [p].

Entsprechend kommt es auch beim Sprechen zu einer Vertauschung von Lauten. Zum Beispiel wird ‚Bass‘ anstatt ‚Pass‘ gesagt.

Ärztliche oder sprachtherapeutische Fachkräfte können solche Verarbeitungsstörungen erkennen und passende Behandlungsmöglichkeiten entwickeln.

Wo und wie Laute gebildet werden

Um besser zu verstehen, wie Laute gebildet werden, solltest du Folgendes kennen:

Weil es beim Prozess der Lautbildung in erster Linie darum geht, wie Laute produziert und ausgesprochen werden, ist er eng mit der artikulatorischen Phonetik verbunden.

Artikulationsorte und -organe

Die Artikulationsorte sind die verschiedenen Stellen im Mundraum. Sie sind unbeweglich, weil sich ihre Position nicht verändern kann.

An den Artikulationsorten werden mithilfe der Artikulationsorgane Laute gebildet. Die Artikulationsorgane sind beweglich, denn du kannst z. B. deine Zunge an verschiedene Stellen bewegen. Zu ihnen zählen:

  • Gaumen
  • Gaumenzäpfchen
  • Glottis (= Stimmritze zwischen den Stimmbändern im Kehlkopf)
  • Ober- und Unterlippe
  • Rachen
  • Zähne
  • Zunge

Je nachdem, wie sich die Artikulationsorgane bewegen, sind verschiedene Artikulationsorte relevant. Die Artikulationsorte haben deshalb je nach Laut, der bei der Bewegung entsteht, unterschiedliche Bezeichnungen.

Übersicht über die Artikulationsorte: deutsche Phonetik
Artikulationsort Beispiel für Laute
Alveolar (Zahndamm) [d], [t], [l], [s] und [z]
Bilabial (Ober- und Unterlippe) [b], [m], [p] und [pf]
Glottal (Glottis) [h]
Labiodental (Unterlippe + obere Zähne) ​[⁠f⁠]​ ​und [⁠v⁠]​
Palatal (harter Gaumen unter der Nasenhöhle) [ç] (Ich-Laut) und [j]
Postalveolar (Zahndamm + harter Gaumen) [ʃ] (sch-Laut)
Uvular (Gaumenzäpfchen) [ʁ] (Zäpfchen-r)
Velar (hinterer Zungenrücken + weicher Gaum vor dem Nasenrachen) [g], [k], [ŋ] und [x] (Ach-Laut)

Es gibt noch weitere Artikulationsorte, die in anderen Sprachen, aber nicht im Deutschen vorkommen. Beispielsweise ist im Arabischen der Pharyngal-Laut typisch, der im Rachen gebildet wird.

Artikulationsarten

Die Artikulationsarten sind die Art und Weise, wie Laute entstehen, wenn der Atemstrom im Mund-Nasen-Rachen-Raum (= Ansatzrohr/Vokaltrakt) behindert wird.

Sie lassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen:

  1. Obstruenten
  2. Sonoranten

Obstruenten sind Laute, bei denen der Atemstrom entweder komplett oder teilweise im Ansatzrohr behindert wird. Obstruenten sind normalerweise Konsonanten (z. B. ‚b‘ und ‚p‘).

Bei Sonoranten kann der Atemstrom allerdings recht ungehindert fließen. Sonoranten können Konsonanten oder Vokale (‚a‘, ‚e‘, ‚i‘, ‚o‘ und ‚ü‘) sein.

Übersicht über die Artikulationsarten: deutsche Phonetik
Kategorie Artikulationsart Beispiel
Obstruenten Frikative (= Reibelaute) [f] wie in ‚fein‘
[s] wie in ‚Nuss‘
[z] wie in ‚Sahne‘
Plosive (= Verschlusslaute) [d] wie in ‚dann‘
[g] wie in ‚gleich‘
[k] wie in ‚kurz‘
Affrikaten (= Verschlussreibelaute): Kombination aus Plosiven und Frikativen [pf] wie in ‚Pferd‘
[ts] wie in ‚Ziel‘
[t∫] wie in ‚tschüs‘
Sonoranten Approximanten (= Halbvokale) [j] wie in ‚Jahr‘
Laterale (= Seitenlaute) [l] wie in ‚Lampe‘
Nasale (= Nasenlaute) [m] wie in ‚Mutter‘
[n] wie in ‚nass‘
[ŋ] wie in ‚lang‘
Vibranten (= Schwinglaute) [r] wie in ‚rot‘
Beachte
Bei den beiden Varianten [r] und [ʁ] handelt es sich um sogenannte Allophone.

Allophone erkennst du daran, dass sie z. B. je nach Region oder Dialekt anders ausgesprochen werden. Während also beispielsweise das [r] mit der Zunge gebildet wird, wird das [ʁ] mit dem Gaumenzäpfchen gebildet.

Beide Varianten können gleichermaßen verwendet werden, um ‚r‘ auszusprechen. Die Bedeutung eines Wortes ändert sich dadurch nicht.

Phonetische Transkription

Die phonetische Transkription ist eine Lautschrift, mit der gesprochene Laute schriftlich festgehalten werden.

Jeder Laut erhält dabei ein bestimmtes Zeichen, um ihn klar zuordnen zu können. Zeichen sind sinnvoller als Buchstaben, weil Wörter in verschiedenen Sprachen nicht immer so geschrieben werden, wie man sie ausspricht.

Beispiel: phonetische Transkription
Eine deutschsprachige Person ohne Französischkenntnisse würde das Wort ‚tu‘ (= ‚du‘) womöglich mit einem deutschen ‚u‘ aussprechen. Im Französischen klingt das ‚u‘ in ‚tu‘ aber vielmehr wie der Umlaut ‚ü‘.

Anhand der phonetischen Transkription lassen sich solche Lautunterschiede verdeutlichen.

Die phonetische Transkription ist komplexer als eine wörtliche Transkription, bei der nur die einzelnen Wörter wiedergegeben werden.

Häufig wird für die phonetische Transkription das Internationale Phonetische Alphabet (IPA) verwendet. Es wird z. B. für Wörterbücher benutzt, damit du beim Lernen einer Fremdsprache direkt weißt, wie ein Wort richtig ausgesprochen wird.

Phonetik-Studium: was es beinhaltet

Falls du dich für ein Phonetik-Studium interessierst, kannst du dir die folgenden Punkte anschauen:

Inhalte des Phonetik-Studiums

Die Inhalte des Phonetik-Studiums unterscheiden sich je nach Schwerpunkt und Universität. Im Allgemeinen sind aber diese Inhalte typisch:

  • Grundlagen und Geschichte der Phonetik
  • Abgrenzung zu anderen Disziplinen wie der Phonologie
  • Anatomie des Sprechapparats (Lippen, Zähne, Zunge usw.)
  • Artikulationsorte und -arten
  • Merkmale und Struktur von Lauten
  • Bildung, Übertragung und Wahrnehmung von Lauten
  • Verschriftlichung von Lauten anhand des Internationalen Phonetischen Alphabets (IPA)

Vorhandene Studiengänge

Hier findest du eine Übersicht über Universitäten, an denen du Phonetik entweder im Bachelor oder im Master studieren kannst.

Mögliche Berufsfelder

Wenn du Phonetik studierst oder studiert hast, kannst du je nach deinem gewählten Schwerpunkt in verschiedenen Bereichen tätig werden.

Mögliche Berufsfelder sind:

  • Aussprachetraining
  • Entwicklung von Sprachtechnologien
  • Forensische Phonetik (Identifikation von Sprecher/-innen und Stimmanalysen für Kriminalfälle)
  • Klinische Phonetik (Untersuchung von Sprechstörungen)
  • Spracherkennung
  • Sprachforschung
  • Sprachsynthese (Umwandlung von geschriebener in gesprochene Sprache)
  • Sprachverarbeitung
  • Sprecherziehung (Erlernen von Techniken für eine verbesserte Redefähigkeit)

Unterschied zwischen Phonetik und Phonologie

Die Phonologie ist wie die Phonetik ein Teil der Sprachwissenschaft. Allerdings geht es bei der Phonologie darum, wie Laute innerhalb einer bestimmten Sprache verwendet werden.

Bei der Phonetik wird hingegen untersucht, wie Laute im Allgemeinen produziert, wahrgenommen und verarbeitet werden – unabhängig von einer bestimmten Sprache.

Tipp
Du kannst dir den Unterschied zwischen Phonetik und Phonologie ganz einfach mit einem Vergleich merken:

In der Phonetik sind Laute wie Baumaterialien. Es wird ermittelt, welche Baumaterialien es gibt und wie diese hergestellt und verarbeitet werden.

In der Phonologie geht es darum, wie Laute in einer Sprache funktionieren. Auf eine ähnliche Art und Weise lässt sich untersuchen, wie Baumaterialien eingesetzt werden, um ein Haus zu bauen.

Häufig gestellte Fragen zur Phonetik

Wie schreibe ich das Wort ‚Phonetik‘ richtig?

Du kannst sowohl ‚Phonetik‘ als auch ‚Fonetik‘ schreiben.

Allerdings kommt die Variante ‚Fonetik‘ nur selten vor, weshalb es besser ist, ‚Phonetik‘ zu schreiben.

Welche phonetischen Störungen gibt es?

Es gibt die folgenden phonetischen Störungen:

  • Rhotazismus (= fehlerhafte Aussprache des Lautes [r])
  • Kappazismus (= fehlerhafte Aussprache des Lautes [k])
  • Schetismus (= fehlerhafte Aussprache des Lautes [sch])
  • Sigmatismus (= Lispeln)
Was ist ein Phon in der Phonetik?

Ein Phon ist in der Phonetik der kleinste Laut in einer Sprache, den man aussprechen und hören kann, z. B. der Laut [a] in dem Wort ‚Katze‘.

Du solltest Phone allerdings nicht mit Buchstaben verwechseln, denn Buchstaben können verschiedene Laute darstellen.

Beispiel: Das Wort ‚Schule‘ umfasst sechs Buchstaben, aber vier Laute: [ʃ], [uː], [l] und [ə].

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Yasemin Özcelik, M.A.

Yasemin hat Spanische Romanistik, Interkulturelle Wirtschaftskommunikation und Education Practice studiert. Sie ist nicht nur als Content-Writerin, sondern auch als Lektorin und Onlinelehrerin tätig.