Eine Kurzgeschichte schreiben: Tipps und Beispiele

Eine Kurzgeschichte ist ein kurzer, erzählender Text der Gattung ‚Epik‘. Um eine Kurzgeschichte zu schreiben, beachte die folgenden Merkmale dieser Textsorte:

  • plötzlicher Beginn (‚in medias res‘)
  • die Handlung erstreckt sich über einen kurzen Zeitraum
  • spielt meistens nur an einem Ort
  • offenes Ende (oft mit einer Pointe)

Es kann aber auch interessant sein, von einigen Punkten abzuweichen. Wichtig ist, dass deine Kurzgeschichte sprachlich und inhaltlich zusammenpasst. Zudem solltest du sie gründlich überarbeiten und korrekturlesen.

Beispiel: sprachliche und inhaltliche Übereinstimmung
Eine Figur in einem Text verdrängt einen Konflikt. Sprachlich wird das durch kurze Sätze und schnelle Fokuswechsel dargestellt. Die Figur versucht sich abzulenken.

Wenn die Person sich schließlich dem Konflikt stellt, sollte sich auch sprachlich etwas ändern. Das können z. B. längere Sätze sein, in denen etwas sehr genau ohne Fokuswechsel beschrieben wird.

Kurzgeschichte Übersicht

Kurzgeschichte analysieren

Themen und Ideen finden

Eine Kurzgeschichte behandelt anders als ein Roman häufig nur ein Thema.

Aufgrund der Kürze der Textsorte ist es oft auch nicht möglich, das Thema von vielen verschiedenen Gesichtspunkten aus zu betrachten. Deshalb wird ein Thema in einer Kurzgeschichte häufig am Beispiel einer spezifischen Situation behandelt.

Beispiel: Themen für eine Kurzgeschichte
  • Hoffnung
  • Wohnungslosigkeit
  • Schulangst

Wenn du dich für ein Thema entschieden hast, kannst du Ideen sammeln, wie du es in deiner Kurzgeschichte umsetzen möchtest und welche Situationen dazu passen könnten.

Beispiel: vom Thema zur Situation
Thema Mögliche Situationen
Hoffnung Eine Person kann nach langer Wartezeit eine Therapie beginnen.
Ein Studienkredit wird erlassen.
Ein Kind findet seine vermisste Katze.

Du kannst aber auch von einer Situation ausgehen und überlegen, welches Thema du dazu behandeln möchtest.

Beispiel: von der Situation zum Thema
Situation Mögliche Themen
Ein Kind sitzt vor der Haustür eines Hochhauses. Es unterhält sich mit den Menschen, die das Haus verlassen. Hoffnung: Das Kind hofft, seine vermisste Katze zu finden.
Wohnungslosigkeit: Das Kind lebt heimlich in der Garage des Hochhauses.
Schulangst: Montags schafft es das Kind auf dem Schulweg nur bis zum Hochhaus.

Den Aufbau einer Kurzgeschichte planen

Eine Kurzgeschichte beginnt häufig plötzlich (‚in medias res‘). Die Handlung erstreckt sich über einen kurzen Zeitraum. Die Geschichte spielt meistens nur an einem Ort und endet offen, oft mit einer Pointe.

Häufig haben Kurzgeschichten nur einen Handlungsstrang. Das heißt, dass sie aus einer Folge zusammenhängender Ereignisse bestehen. Meist werden sie chronologisch erzählt. Nebenhandlungen gibt es oft nicht. Rückblenden kommen i. d. R. nur in Figurenrede vor.

Beispiel: Rückblende in der Figurenrede
„Der Mann nahm den Korb hoch und richtete sich auf. Na ja, wenn du hier bleiben musst – schade. Und er drehte sich um.

Wenn du mich nicht verrätst, sagte Jürgen da schnell, es ist wegen den Ratten. […]

Und du passt nun auf die Ratten auf? fragte der Mann.

Auf die doch nicht! Und dann sagte er ganz leise: Mein Bruder, der liegt nämlich da unten. Da. Jürgen zeigte mit dem Stock auf die zusammengesackten Mauern. Unser Haus kriegte eine Bombe. Mit einmal war das Licht weg im Keller. Und er auch. […]

Der Mann sah von oben auf das Haargestrüpp.“ (Borchert, 1949)

In dem Beispiel erzählt ein Junge in „Nachts schlafen die Ratten doch“, wie das Haus der Familie von einer Bombe getroffen wurde und sein kleiner Bruder starb.

Die wörtliche Rede des Jungen ist die einzige Quelle für Informationen aus der Vergangenheit in der Kurzgeschichte. Die Zeitform ändert sich in der wörtlichen Rede nicht. Es wird nur durch den Inhalt deutlich, dass es sich um eine Rückblende handelt.

Beachte
Wenn du in der Schule eine Kurzgeschichte oder eine spannende Geschichte schreiben sollst, kann der Aufbau von diesen Punkten abweichen. Rückblenden werden zum Beispiel häufiger verwendet, wenn sich eine Figur etwa an ein Ferienerlebnis erinnert.

In der Schule spielen Kurzgeschichten zudem auch häufiger an verschiedenen Orten. Du solltest aber trotzdem darauf achten, dass alle Ereignisse zusammenhängend sind.

Plotten oder Drauflosschreiben

Du kannst den Aufbau deiner Kurzgeschichte vor dem Schreiben planen. Das wird Plotten genannt und ist das Gegenstück des Drauflosschreibens. Die meisten Schreibenden bewegen sich irgendwo in der Mitte.

Tipp: Plotten oder Drauflosschreiben
Vorteile des Plottens können sein, dass du beim Schreiben ein Gerüst hast, an dem du dich orientieren kannst. Es kann weniger leicht passieren, dass du abschweifst.

Nachteile des Plottens können sein, dass ein Gerüst dich in deinem Schreibfluss hemmen kann, weil du das Gefühl hast, dich strikt daran halten zu müssen.

Ein weiterer Nachteil ist, dass manche Schreibende nach dem Plotten keine Lust mehr auf die Geschichte haben.

Die Figuren in einer Kurzgeschichte entwickeln

Oft kommen in einer Kurzgeschichte nur wenige Figuren vor, die zudem häufig namenlos bleiben und nur minimal charakterisiert werden. Anders als bei einem Roman geht es bei einer Kurzgeschichte nicht darum, das Leben einer Figur umfassend zu beleuchten.

Die Figuren in einer Kurzgeschichte sollten glaubwürdig sein und in die Logik deiner Geschichte passen. Du kannst eine Figur in einer Kurzgeschichte entweder direkt oder indirekt charakterisieren.

Bei der direkten Charakterisierung zeigst du den Lesenden etwas über die Figur.

Möglichkeiten dafür sind z. B.

  • die Sprache einer Figur,,
  • das Aussehen einer Figur,
  • die Handlungen einer Figur und
  • die Gedanken einer Figur.

Bei einer indirekten Charakterisierung erzählst du den Lesenden etwas über die Figur, z. B. durch

  • eine andere Figur oder
  • die Erzählstimme.
Beispiel: Charakterisierung einer Person
Art der Charakterisierung Beispiel Charakterisierung
Sprache einer Figur ‚Warum mussten wir nur herkommen?‘, sagte die junge Frau und sprang hinter ihm über eine Wasserlache.“ (Jenny, 2013) Eine Frau beschwert sich in „Der Flug des Kondors“ auf eine beschuldigende Art über einen Ausflug bei schlechtem Wetter.
Aussehen einer Figur „Aber als er ein bisschen blinzelte, sah er nur zwei etwas ärmlich behoste Beine. Die standen ziemlich krumm vor ihm, dass er zwischen ihnen hindurchsehen konnte.“ (Borchert, 1949) Die Hauptfigur beschreibt in „Nachts schlafen die Ratten doch“ einen dürren und gebrechlichen Mann, der in Armut lebt.
Handlungen einer Figur „Es war ein schöner Abend, und seine Kinder winkten ihm vom Landungssteg, aber er konnte den Motor noch immer nicht abstellen, tat auch, als wollte er nicht landen, und fuhr wieder gegen das flache Ufer zurück.“ (Aichinger, 1953) Ein Mann in „Seegeister“ ist zu stolz, um zuzugeben, dass sein Boot kaputt ist.
Gedanken einer Figur Jetzt erleichterte ihn nur mehr der Gedanke, daß sein Tank doch eines Tages den See ausgeschöpft haben müsse, und er dachte, es sei eine merkwürdige Art des Sinkens, den See aufzusaugen und zuletzt mit seinem Boot auf dem Trockenen zu sitzen.“  (Aichinger, 1953) Der Mann aus Aichingers „Seegeister“ versucht, sich selbst zu beruhigen und kann sich immer noch nicht vorstellen, um Hilfe zu bitten.
Figurenrede einer anderen Figur „Ich äußerte Erstaunen über solche Habgier eines wunschlosen, beruhigten Philosophen.“ (Polgar, 1922) Die Figur bezeichnet den Eremiten in „Der Eremit“ als habgierig.
Erzählstimme „Er hatte ein ganz altes Gesicht, aber wie er ging, daran sah man, dass er erst zwanzig war.“ (Bochert, 1949) Die Erzählstimme beschreibt einen jungen Mann in „Die Küchenuhr“, der älter aussieht als er ist.

Kurzgeschichten überarbeiten und verbessern

Für die Überarbeitung einer Kurzgeschichte solltest du dir ausreichend Zeit nehmen, denn diese Phase ist oft entscheidend für die Qualität eines Textes.

Achte dabei unter anderem auf

  • logische Fehler (z. B. in der Handlung, den Figuren, Orten oder der Zeit),
  • sprachliche Ungenauigkeiten (z. B. unklare Formulierungen, unnötige Füllwörter),
  • Wiederholungen (z. B. sich doppelnde Informationen oder Wortwiederholungen) und
  • Widersprüche zwischen Inhalt und Form (z. B. unpassende Zeilenumbrüche).

Überprüfe deinen Text zum Schluss gründlich auf Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehler. Dafür kannst du z. B. die Rechtschreibprüfung von QuillBot verwenden.

Umgang mit Schreibblockaden

Schreibblockaden sind weit verbreitet und kein Zeichen dafür, dass mit deiner Kurzgeschichte oder deinem Schreiben etwas nicht stimmt.

Tipp: Schreibblockaden lösen
  • Schreibe 10 Minuten lang, ohne nachzudenken und ohne den Stift abzusetzen.
  • Schreibe mit der Hand statt auf dem Computer oder andersherum.
  • Beginne in der Mitte des Textes oder schreibe das Ende.
  • Schreibe an einem anderen Ort, z. B. in der Bibliothek oder in einem Café.
  • Lass deinen Text ruhen und schreibe an einem anderen Text weiter.

Schreibübungen für Kurzgeschichten

Schreibübungen für Kurzgeschichten können dir dabei helfen, auf neue Ideen zu kommen und neue Perspektiven auszuprobieren.

Tipp: fünf Schreibübungen für Kurzgeschichten
  • Schreibe eine Kurzgeschichte zu einem Gefühl und benenne das Gefühl in der Geschichte nicht.
  • Schreibe eine Kurzgeschichte zu einem Gegenstand aus dem Raum, in dem du dich gerade befindest. Überlege, wie der Gegenstand erzählenswert sein kann.
  • Schreibe eine Kurzgeschichte zu einem Geruch, z. B. zu einem Gewürz.
  • Schreibe dieselbe Kurzgeschichte aus der auktorialen Perspektive, aus der personalen Perspektive und aus der Ich-Perspektive.
  • Schreibe dieselbe Kurzgeschichte im Präsens und im Präteritum und untersuche die Unterschiede, die dir beim Schreiben auffallen.

Kurzgeschichten veröffentlichen

Wenn du versuchen möchtest, eine Kurzgeschichte zu veröffentlichen, kannst du sie z. B. bei der Ausschreibung einer Literaturzeitschrift oder eines Literaturwettbewerbs einreichen.

Ausschreibungen können themengebunden oder themenoffen sein. Manchmal gibt es ein Alterslimit oder regionale Beschränkungen. Häufig ist eine Mindest- oder Höchstanzahl an Zeichen oder Normseiten (30 Zeilen mit bis zu 1800 Zeichen) angegeben.

An den meisten Ausschreibungen kannst du kostenfrei teilnehmen. In Ausnahmefällen gibt es eine geringe Gebühr. Einem Druckkostenzuschuss oder Ähnlichem solltest du nicht zustimmen, da diese Angebote nicht seriös sind.

Du findest Ausschreibungen z. B. auf den Seiten Literaturport und Autorenwelt.

Beachte
Für die meisten Ausschreibungen muss deine Kurzgeschichte unveröffentlicht sein. Das bedeutet meistens, dass du sie auch nicht in den Sozialen Medien oder in einem Internetforum hochgeladen haben darfst.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Kurzgeschichte schreiben

Gibt es eine Vorlage, um Kurzgeschichten zu schreiben?

Nein, denn Kurzgeschichten sind eine Kunstform und wie bei anderen literarischen Texten gibt es keine Anleitung, bei der immer eine gute Kurzgeschichte entsteht. Schreibübungen für Kurzgeschichten können dir aber helfen, dein Schreiben zu verbessern.

Soll ich Kurzgeschichten nach dem Schreiben als PDF oder Word-Dokument speichern?

Wenn du eine Kurzgeschichte bei einer Ausschreibung einschicken willst, ist dort meist angegeben, in welchem Format der Text einzureichen ist. Wenn es dort keine Angabe gibt, kannst du in der Regel frei wählen.

Sollte ich Kurzgeschichten schreiben, bevor ich einen Roman schreibe?

Kurzgeschichten können eine gute Übung sein, um im Schreiben handwerklich besser zu werden. Es kann zudem leichter sein, Veröffentlichungsmöglichkeiten zu finden. Du kannst dein Schreiben aber auch bei der Arbeit an einem Roman weiterentwickeln.

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Lisa Glöckler, M.A.

Lisa hat Grundschulpädagogik und Literarisches Schreiben in Berlin, Leipzig und Barcelona studiert. Sie schreibt Lyrik und Prosa und hat viel Freude daran, Artikel zu literarischen Themen und wissenschaftlichem Zitieren zu verfassen.