Tu-quoque-Argument | Beispiele und Definition

Ein Tu-quoque-Argument (lat. ‚du auch‘) liegt vor, wenn jemand auf Kritik reagiert, indem er sein Gegenüber als inkonsequent oder heuchlerisch bezeichnet.

Diese Taktik lenkt die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Thema auf das angebliche Versagen des Gegenübers, seinen eigenen Grundsätzen zu folgen.

Das Tu-quoque-Argument ist eine Variante des Ad-hominem-Arguments. Das bedeutet, es lenkt die Aufmerksamkeit weg vom Argument und hin zur Person, die es vorbringt.

Beispiel: Tu-quoque-Argument
Eine Lehrerin rät einem Schüler, mehr zu lernen und weniger die sozialen Medien zu nutzen, um seine Noten zu verbessern. Darauf antwortet der Schüler: „Aber Sie posten doch während des Unterrichts in den sozialen Medien!“

Die Antwort des Schülers verschiebt den Fokus von der Frage, wie sich seine Nutzung der sozialen Medien auf seine Noten auswirken könnte, auf das irrelevante Thema, wie die Lehrerin die sozialen Medien nutzt.

Tu-quoque-Argument: Beispiele

Beispiele für das Tu-quoque-Argument finden sich häufig in den Medien und der Politik.

Der Fehlschluss wird in der Regel bewusst eingesetzt, um Kritik abzuwehren. Dazu werden die Verhaltensweisen oder frühere Handlungen des Kritikers oder der Kritikerin angegriffen, statt auf das Argument einzugehen.

Beispiel: Tu-quoque-Argument in den Medien
Ein Journalist kritisiert eine bekannte Sängerin dafür, dass sie mit dem Privatjet reist, und weist darauf hin, wie sich diese Art des Reisens auf die Umwelt auswirkt.

In ihrer Antwort wirft die Sängerin dem Journalisten vor, er habe ebenfalls einen überdurchschnittlich hohen CO2-Fußabdruck.

Mit diesem Tu-quoque-Argument vermeidet die Sängerin eine direkte Antwort auf die Kritik, indem sie den Fokus auf die angebliche Heuchelei des Kritikers verschiebt.

Auch wenn der Vorwurf sowohl auf den Journalisten als auch auf die Sängerin zutrifft, wird er doch nur erhoben, um das Thema zu wechseln.

Im politischen Diskurs wird das Tu-quoque-Argument häufig genutzt, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie sich Personen des öffentlichen Lebens in der Vergangenheit widersprüchlich verhalten haben.

Es ist oft legitim, das Verhalten einer Person in der Vergangenheit zu untersuchen.

Jedoch verwenden Politiker und Politikerinnen häufig Tu-quoque-Argumente, um von aktuellen Fragen oder von Kritik an ihrer Politik, ihren Überzeugungen oder ihrem Verhalten abzulenken.

Beispiel: Tu-quoque-Argument in der Politik
Ein Politiker wird in einer Debatte von seiner Gegnerin dafür kritisiert, dass er eine umstrittene neue Steuererhöhung befürwortet, die die Mittelschicht belasten wird. Der Politiker erwidert, dass seine Gegnerin in der Vergangenheit viele Steuererhöhungen befürwortet hat.

Zwar sollten die Handlungen beider Personen überprüft werden. Jedoch kritisiert der Politiker seine Gegnerin mit einem Tu-quoque-Argument nur deshalb, um nicht auf seine eigenen Entscheidungen eingehen zu müssen.

Wenn er seine Position für vertretbar hält, sollte er erklären können, warum er Steuererhöhungen für die Mittelschicht befürwortet, statt einfach das Thema zu wechseln.

Warum nutzen Leute Tu-quoque-Argumente?

Tu-quoque-Argumente sollen die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Argument ablenken. Daher ist diese Taktik besonders nützlich, wenn jemand kein starkes Gegenargument hat oder es vermeiden will, ein unangenehmes Thema zu diskutieren.

Indem ein Tu-quoque-Argument die Aufmerksamkeit auf die Glaubwürdigkeit der kritisierenden Person lenkt, kann es Ärger und Frustration hervorrufen und ihre Wirkung in der Debatte untergraben.

Wenn das Tu-quoque-Argument nicht bewusst als rhetorische Verteidigungsstrategie eingesetzt wird, ist es oft das Ergebnis eines reflexartigen Gefühlsausbruchs.

Ein Beispiel dafür ist die Entgegnung „Du hast angefangen!“. Sie wird häufig von Kindern genutzt, um die Schuld von sich zu weisen. Dabei greifen sie ein ähnliches oder früheres Fehlverhalten der Person auf, die sie beschuldigt.

Ein Tu-quoque-Argument ist zwar ein Fehlschluss, kann aber das Gerechtigkeitsempfinden des Publikums ansprechen.

Indem auf die Fehler der kritisierenden Person hingewiesen wird, kann folgender Eindruck entstehen: Die Person, die das Tu-quoque-Argument vorbringt, stellt beide Parteien auf dieselbe Ebene und legt an sie denselben Maßstab an.

Wie soll ich auf ein Tu-quoque-Argument antworten?

Um auf ein Tu-quoque-Argument zu antworten, ist es zunächst wichtig, den Fehlschluss zu erkennen.

Prüfe also, ob ein Vorwurf die folgenden Merkmale aufweist:

  • Irrelevanz für das Argument: Der Vorwurf ist nicht direkt relevant und lenkt die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Thema ab.
  • Vorwurf der Heuchelei: Der Vorwurf lenkt die Aufmerksamkeit auf die angebliche Heuchelei oder Widersprüchlichkeit des Gegners oder der Gegnerin.
  • Vermeiden eines logischen Gegenarguments: Der Vorwurf tritt an die Stelle einer vernünftigen, sachdienlichen Antwort auf eine Frage oder eine Kritik.

Wenn du auf ein Tu-quoque-Argument antwortest, kannst du mit den folgenden Strategien sicherstellen, dass das Gespräch konstruktiv bleibt:

  • Erkenne berechtigte Kritik an: Erkenne berechtigte Aspekte an und gib zutreffende Fehler oder Schwächen zu, um glaubwürdig zu bleiben.
  • Trenne Person und Argument: Betone, dass die Qualität des Arguments nicht davon abhängt, wie sich der Sprecher oder die Sprecherin verhält.
  • Vermeide eigene Fehlschlüsse als Konter: Bleibe widerspruchsfrei und widerstehe der Versuchung, ein Ad-hominem-Argument mit einem anderen zu kontern.

Kehre zurück zum eigentlichen Argument: Kehre zum Thema zurück und verwende nicht zu viel Zeit auf den Tu-quoque-Vorwurf.

Häufig gestellte Fragen zum Tu-quoque-Argument

Wie wird ‚tu quoque‘ richtig ausgesprochen?

Der Fehlschluss ‚tu quoque‘ wird [tuː kvoːkvə] ausgesprochen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Tu-quoque-Argument und einem Ad-hominem-Argument?

Ein Tu-quoque-Argument ist eine Variante des Ad-hominem-Arguments.

  • Bei einem Ad-hominem-Argument wird eine Person für etwas kritisiert, das für das Thema irrelevant ist.
  • Bei einem Tu-quoque-Argument wird eine Person, die eine Frage, Kritik oder ein Argument äußert, mit dem Vorwurf der Heuchelei kritisiert.

Beide Argumente gehören zur Gruppe der Fehlschlüsse der Relevanz, auch bekannt als Ablenkungsmanöver (engl. ‚red herrings‘).

Was ist der Unterschied zwischen Tu-quoque-Argumenten und Whataboutism?

Das Tu-quoque-Argument und Whataboutism überschneiden sich manchmal, haben aber unterschiedliche Merkmale.

  • Das Tu-quoque-Argument ist eine Variante des Ad-hominem-Arguments. Dabei wird auf Kritik geantwortet, indem man auf die Heuchelei im Verhalten des Kritikers oder der Kritikerin hinweist. Man sagt im Grunde: „Du tust das, wofür du mich kritisierst.“
  • Whataboutism ist eine umfassendere Taktik. Dabei wird auf einen Vorwurf geantwortet, indem man auf ein anderes Thema abschweift oder einen Gegenvorwurf erhebt. Hier wird der Fokus verschoben, indem man im Grunde sagt: „Was ist mit dieser anderen Sache?“

Beide Ansätze werden typischerweise als nicht formale Fehlschlüsse oder irreführende Argumentationsansätze angesehen.

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Franz Strohmeier, M.Sc.

Franz hat einen Masterabschluss in Betriebswirtschaftslehre und eine Leidenschaft für die deutsche Sprache. Er verfügt über mehrjährige Erfahrung im Lektorat von Sachtexten.