Anapäst | Metrum einfach erklärt

Der Anapäst ist ein Versfuß aus drei Silben. Die Betonung entspricht dabei dem Muster unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung).

Um den Anapäst in einem Gedicht zu erkennen, teilst du zuerst alle Wörter in Silben auf. Anschließend markierst du die betonten Silben, z. B. indem du sie unterstreichst.

Beispiel: Anapäst
Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt …

Trennung der Wörter in Silben:

Und | es | wal | let | und | sie | det | und | brau | set | und | zischt,
Wie | wenn | Was | ser | mit | Feu | er | sich | mengt …

Markierung der betonten Silben:

Und | es | wal | let | und | sie | det | und | brau | set | und | zischt,
Wie | wenn | Was | ser | mit | Feu | er | sich | mengt

(Friedrich Schiller, „Der Taucher“, Strophe 6, Vers 1–2)

Wie du siehst, entspricht die Betonung in diesen Versen genau dem anapästischen Muster unbetont–unbetont–betont (Senkung–Senkung–Hebung)

In dem ersten Vers (‚Und es wallet und siedet und brauset und zischt‘) gibt es vier Hebungen, im zweiten Vers (‚Wie wenn Wasser und Feuer sich mengt‘) nur drei.

Beachte
Als ‚Versfuß‘ bezeichnet man die kleinste rhythmische Einheit in einem Vers (z. B.: ‚Anapäst‘). Zusammen bilden die Versfüße eines Verses das ‚Versmaß‘, das auch ‚Metrum‘ genannt wird (z. B. ‚vierhebiger Anapäst‘).

Insgesamt gibt es im Deutschen vier wichtige Versfüße:

  • Jambus: unbetont–betont (= Senkung–Hebung)
  • Trochäus: betont–unbetont (= Hebung–Senkung)
  • Daktylus: betont–unbetont–unbetont (= Hebung–Senkung–Senkung)
  • Anapäst: unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung)

Was ist ein Anapäst?

Der Anapäst ist ein Versfuß, der aus drei Silben besteht. Die ersten beiden Silben sind unbetont, die dritte Silbe ist betont (= Senkung–Senkung–Hebung).

Tipp
Das Wort ‚A | na | päst‘ wird selbst wie ein Anapäst betont. So kannst du dir das Muster leicht merken. Weitere Wörter mit dieser Betonung sind z. B.:

  • E | le | fant
  • In | gen | ieur

In Abhängigkeit davon, wie oft sich dieses Muster in einem Vers wiederholt, ergibt sich daraus als Versmaß (= Metrum) z. B. ein zwei-, drei- oder vierhebiger Anapäst.

Anapästische Versmaße mit Beispielen
Versmaß Beispielverse
2-hebiger Anapäst Wie | mein | Glück, | ist | mein | Lied.
3-hebiger Anapäst In | der | Not | wird | man | stark | wie | ein | Held.
4-hebiger Anapäst Und | er | läs | tert | die | Gott | heit | mit | sün | di | gem | Wort

Schematisch wird der Anapäst durch ‚—◡◡‘ dargestellt. Dabei steht ‚‘ für die unbetonte Silbe und ‚◡◡‘ für die beiden unbetonten Silben.

Anapästische Versmaße als Schema mit Silbenzahl
Versmaß Schema Silben pro Vers
2-hebiger Anapäst ◡◡—◡◡— 6
3-hebiger Anapäst ◡◡—◡◡—◡◡— 9
4-hebiger Anapäst ◡◡—◡◡—◡◡—◡◡— 12

Deutsche Gedichte sind nur selten in einem regelmäßigen Anapäst geschrieben. Es finden sich jedoch häufiger einzelne anapästische Verse in Gedichten, in denen sonst ein anderes Metrum vorherrscht.

Bekannte Beispiele dafür sind „Der Taucher“ (1798) von Friedrich Schiller sowie „Belsazar“ (1820) von Heinrich Heine, die jeweils mehrere anapästische Verse enthalten.

Tipp
Wenn du bei einer Gedichtanalyse oder Gedichtinterpretation nach einer guten Formulierung suchst, kannst du den kostenlosen Textumschreiber von QuillBot ausprobieren.

Anapäst im Gedicht erkennen

Um den Anapäst in einem Gedicht zu erkennen, gehst du am besten in den folgenden Schritten vor:

  1. Teile alle Wörter in den Versen in einzelne Silben auf.
  2. Markiere die betonten Silben (= Hebungen), indem du sie unterstreichst.
  3. Bestimme, ob die Betonung der Silben dem Muster unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung) entspricht: wenn ja, ist es ein Anapäst!

Beim zweiten Schritt kann es helfen, das Gedicht übertrieben deutlich vorzulesen. So kann man die betonten Silben leichter erkennen.

Am besten beginnst du mit den Silben, die eindeutig betont sind. Die übrigen Silben fügen sich dann häufig in das Muster, das sich ergibt.

Wenn dir der dritte Schritt schwerfällt, kann es helfen, die Silben in einer Tabelle sauber untereinander zu schreiben. So ist das Muster leichter zu erkennen.

Metrum bestimmen mit Silbentabelle
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Und es wal let und brau set und sie det und zischt,
Wie wenn Was ser und Feu er sich mengt

In diesem Beispiel folgen die Silben dem Muster unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung). Die Verse haben als Metrum also einen Anapäst.

Der Anzahl der Hebungen ist dabei nicht gleichmäßig. Denn während der erste Vers vier betonte Silben enthält, gibt es im zweiten nur drei.

Alternativ kannst du auch die schematische Darstellung der unbetonten und betonten Silben hinter jedem Vers notieren. So wird das Muster ebenfalls deutlich.

Vers Betonung der Silben
Und es wallet und siedet und brauset und zischt, ◡◡—◡◡—◡◡—◡◡—
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt … ◡◡—◡◡—◡◡—
Beachte
Neben dem Versmaß ist ein weiteres rhythmisches Merkmal von Versen ihre Kadenz. Bei der Bestimmung der Kadenz werden nur die letzten Silben des Verses betrachtet.

Man unterscheidet zwischen ‚männlicher‘ (‚stumpfer‘), ‚weiblicher‘ (‚klingender‘) und ‚reicher‘ Kadenz:

  • Männliche Kadenz: Die letzte Silbe ist betont.
  • Weibliche Kadenz: Die letzte Silbe ist unbetont.
  • Reiche Kadenz: Die letzten beiden Silben sind unbetont.

In den obigen Beispielversen sind die Kadenzen jeweils betont – also männlich.

Anapäst: Wirkung

Dem Anapäst wird häufig eine vorwärtsdrängende und/oder beschwingte Wirkung zugeschrieben.

Das liegt daran, dass das rhythmische Muster unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung) einer Vorwärts- und Aufwärtsbewegung ähnelt.

Der Anapäst klingt so, als würde jemand mit den beiden unbetonten Silben ‚Schwung holen‘ oder ‚anlaufen‘. Dann folgt die betonte Silbe – wie ein Sprung oder Schlag.

Beispiel 1: Wirkung des Anapäst im Gedicht
Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt …

(Friedrich Schiller, „Der Taucher“, Strophe 6, Vers 1–2)

Allerdings gibt es im Deutschen nur wenige Gedichte, die durchgängig im Anapäst geschrieben sind.

Häufiger finden sich einzelne anapästische Verse in Gedichten, in denen das vorherrschende z. B. Metrum ein Jambus oder Trochäus ist.

Ein Beispiel dafür ist das Gedicht „Belsatzar“ (1820) von Heinrich Heine. Es handelt davon, wie der babylonische König Belsatzar auf einer Feier Gott lästert und dafür bestraft wird.

Beispiel 2: Wirkung des Anapäst im Gedicht
Des | | nigs | Wan | gen | leuch | ten | Glut; Jambus
Im | Wein | er | wuchs | ihm | keck | er | Muth. Jambus
Und | blind | lings | reißt | der | Muth | ihn | fort; Jambus
Und | er | läs | tert | die | Gott | heit | mit | sün | di | gem | Wort. Anapäst

(Heinrich Heine, „Belsatzar“, 1820, Strophe 6–7)

Das vorherrschende Metrum in diesem Gedicht ist ein vierhebiger Jambus. Der Vers, in dem die Gotteslästerung beschrieben wird, ist jedoch in einem vierhebigen Anapäst geschrieben.

Die vorwärtsdrängende, beschwingte Wirkung des Jambus passt hier gut zu der ausgelassenen Stimmung, von der sich der König zur Gotteslästerung hinreißen lässt.

Weil das anapästische Metrum von dem vorherrschenden jambischen Metrum abweicht, wird dieser Vers außerdem besonders hervorgehoben.

Beachte
Zur klanglichen Gesamtwirkung eines Gedichts trägt häufig auch das Reimschema bei. Die wichtigsten Reimschemas in deutschen Gedichten sind:

Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapäst

Jambus, Trochäus, Daktylus und Anapäst sind die wichtigsten Versfüße in deutschen Gedichten. Sie unterscheiden sich durch die Anzahl der Silben und ihre Betonung.

Hier findest du alle Versfüße mit ihrer Betonung und zwei Beispielwörtern auf einen Blick.

Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapäst
Versfuß Beschreibung Schema Beispiel
Jambus unbetont–betont
(= Senkung–Hebung)
◡— Gesicht 

Verstand

Trochäus betont–unbetont
(= Hebung–Senkung)
—◡ Sieger

Bäume

Daktylus betont–unbetont–unbetont
(= Hebung–Senkung–Senkung)
—◡◡ nigin

wunderbar

Anapäst unbetont–unbetont–betont
(= Senkung–Senkung–Hebung)
◡◡— Paradies

Elefant

Je nachdem, wie oft sich die einzelnen Versfüße in einem Vers wiederholen, ist das Versmaß (= Metrum) z. B. ein ‚dreihebiger Jambus‘ oder ‚vierhebiger Trochäus‘.

Tipp
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Häufig gestellte Fragen zum Anapäst

Welche 4 Metren gibt es?

Im Schulunterricht wird meistens zwischen den folgenden 4 Metren unterschieden:

  1. Jambus: unbetont–betont (Senkung–Hebung), z. B.: ‚Verstand‘
  2. Trochäus: betont–unbetont (Hebung–Senkung), z. B.: ‚Bäcker‘
  3. Daktylus: betont–unbetont–unbetont (Hebung–Senkung–Senkung), z. B.: ‚Königin‘
  4. Anapäst: unbetont–unbetont–betont (Senkung–Senkung–Hebung), z. B.: ‚Elefant‘

Der richtige Fachbegriff für diese kleinsten rhythmischen Einheiten in einem Vers lautet ‚Versfuß‘.

Das ‚Metrum‘ oder ‚Versmaß‘ ergibt sich aus allen Versfüßen in einem Vers zusammen, z. B.: ‚fünfhebiger Jambus‘.

Tipp

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Welche Wörter sind Anapäst?

Beim Anapäst entspricht die Betonung der Silben dem Muster unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung).

Einzelne Wörter, die wie ein Anapäst betont werden, sind z. B.:

  • E | le | fant
  • In | gen | ieur

Der Anapäst besteht wie der Daktylus immer aus drei Silben. Jambus und Trochäus bestehen dagegen nur aus zwei Silben.

Weitere Beispiele und Erklärungen zu diesen vier Versfüßen findest du in unserem Artikel über das Metrum.

Tipp

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Wie klingt Anapäst?

Der Anapäst ist ein Versfuß, bei dem die Betonung der Silben so klingt:

  •  unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung)

Einzelne Wörter, die wie ein Anapäst betont werden, sind z. B.:

  • E | le | fant
  • In | gen | ieur

Auch das Wort ‚Anapäst ‘selbst wird wir ein Anapäst betont, nämlich ‚A | na | päst‘. So kannst du dir das rhythmische Muster dieses Versfußes leicht merken.

Weitere wichtige Versfüße in deutschen Gedichten sind Jambus, Trochäus und Daktylus.

Tipp

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Was ist das metrische Gegenstück zum Anapäst?

Das metrische Gegenstück zum Anapäst ist der Daktylus. Beide Versfüße bestehen aus drei Silben, die jedoch unterschiedlich betont werden.

Hier siehst du das rhythmische Muster der beiden Versfüße auf einen Blick.

  • Anapäst: unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung)
  • Daktylus: betont–unbetont–unbetont (= Hebung–Senkung–Senkung)

Beim Anapäst sind die ersten beiden Silben unbetont und die dritte Silbe ist betont. Beispiele dafür sind die Wörter ‚E | le | fant‘ oder ‚In | gen | ieur‘.

Beim Daktylus ist die erste Silbe betont und die folgenden beiden Silben sind unbetont. Beispiele dafür sind die Wörter ‚ | ni | gin‘ oder ‚Wan | der | ung‘.

Weitere wichtige Versfüße in deutschen Gedichten sind Jambus (unbetont–betont) und Trochäus (betont–unbetont). Im Unterschied zu Anapäst und Daktylus bestehen sie jeweils nur aus zwei Silben.

Tipp

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Alexander Schnorbusch, M.A.

Alexander hat Philosophie und Literarisches Schreiben studiert und promoviert aktuell an der Hochschule für Philosophie München. Er schreibt über Grammatik, Stil und effektiven Sprachgebrauch.