Daktylus | einfach erklärt mit Beispielen

Der Daktylus ist ein Versfuß, der aus drei Silben besteht. Die Betonung folgt dabei dem Muster betont–unbetont–unbetont (= Hebung–Senkung–Senkung).

Um den Daktylus in einem Gedicht zu erkennen, teilt man alle Wörter in Silben auf. Anschließend markiert man die betonten Silben, z. B. indem man sie unterstreicht.

Beispiel: Daktylus
Mächtiger, der du die Wipfel dir beugst,
Brausend von Krone zu Krone entsteigst,
Wandle du stürmender, wandle nur fort,
Reiß mir den stürmenden Busen mit fort.

Trennung der Wörter in Silben

Mäch | ti | ger, | der | du | die | Wip | fel | dir | beugst,
Brau | send | von | Kro | ne | zu | Kro | ne | ent | steigst,
Wand | le | du | stür | men | der, | wan | dle | nur | fort,
Reiß | mir | den | stür | men | den | Bu | sen | mit | fort.

Markierung der betonten Silben

Mäch | ti | ger, | der | du | die | Wip | fel | dir | beugst,
Brau | send | von | Kro | ne | zu | Kro | ne | ent | steigst,
Wand | le | du | stür | men | der, | wan | dle | nur | fort,
Reiß | mir | den | stür | men | den | Bu | sen | mit | fort.

(Friedrich Rückert, „An den Sturmwind“, 1807, Strophe 1)

In diesem Gedicht entspricht die Betonung der Silben dem Muster betont–unbetont–unbetont. Es ist also im Daktylus geschrieben.

Dabei gibt es in jedem Vers genau vier betonte Silben (= Hebungen). Das Versmaß (= Metrum) ist daher ein regelmäßiger ‚vierhebiger Daktylus‘.

Beachte
Insgesamt gibt es im Deutschen vier wichtige Versfüße:

  • Jambus: unbetont–betont (= Senkung–Hebung)
  • Trochäus: betont–unbetont (= Hebung–Senkung)
  • Daktylus: betont–unbetont–unbetont (= Hebung–Senkung–Senkung)
  • Anapäst: unbetont–unbetont–betont (= Senkung–Senkung–Hebung)

Als ‚Versfuß‘ bezeichnet man die kleinste rhythmische Einheit in einem Vers (z. B.: ‚Daktylus‘). Zusammen bilden die Versfüße eines Verses das ‚Versmaß‘, das auch ‚Metrum‘ genannt wird (z. B. ‚vierhebiger Daktylus‘).

Was ist ein Daktylus?

Der Daktylus ist ein Versfuß aus drei Silben. Die erste Silbe ist betont, die folgenden beiden Silben sind unbetont (= Hebung–Senkung–Senkung).

Tipp
Das Wort ‚Dak | ty | lus‘ wird selbst wie ein Daktylus betont. So kannst du dir das Muster leicht merken. Weitere Wörter mit dieser Betonung sind z. B.:

  • | ni | gin
  • Wan| de | rung
  • wun | der | bar
  • | he | voll

Abhängig davon, wie oft sich dieses Muster in einem Vers wiederholt, ergibt sich daraus als Versmaß (= Metrum) z. B. ein dreihebiger, vierhebiger oder fünfhebiger Daktylus.

Daktylische Versmaße mit Beispielen
Versmaß Beispielverse
3-hebiger Daktylus Brü | der, | zur | Son | ne, | zur | Frei | heit,
Brü | der | zum | Lich | te | em | por!
4-hebiger Daktylus Mäch | ti | ger, | der | du | die | Wip | fel | dir | beugst,
Brau | send | von | Kro | ne | zu | Kro | ne | ent | steigst, …
5-hebiger Daktylus Schließ | lich | zer | schlu | gen | sie | dich, | von | der | Ra | che | ge | hetzt,
wäh | rend | dein | Klang | noch | in | | wen | und | Fel | sen | ver | weil |te

Schematisch wird der Daktylus durch ‚—◡◡‘ dargestellt. Dabei steht ‚‘ für die unbetonte Silbe und ‚◡◡‘ für die beiden unbetonten Silben.

Daktylische Versmaße als Schema mit Silbenzahl
Versmaß Schema Silben pro Vers
3-hebiger Daktylus —◡◡—◡◡—(◡)(◡) 7–9
4-hebiger Daktylus —◡◡—◡◡—◡◡—(◡)(◡) 10–12
5-hebiger Daktylus —◡◡—◡◡—◡◡—◡◡—(◡)(◡) 13–15

Häufig fehlt in daktylischen Versen die letzte unbetonte Silbe oder die letzten beiden unbetonten Silben. Man nennt solche Verse ‚katalektisch‘, d. h. unvollständig.

Tipp
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Dreihebiger Daktylus

Der dreihebige Daktylus ist ein Versmaß (= Metrum), bei dem die Abfolge der Silben dem Muster betont–unbetont–unbetont (Hebung–Senkung–Senkung) entspricht.

Dieses Muster wiederholt sich in jedem Vers genau dreimal. Es gibt also in jedem Vers genau drei betonte Silben (= Hebungen).

Beispiel: dreihebiger Daktylus
Brüder, zur Sonne, zur Freiheit,
Brüder zum Lichte empor!
Hell aus dem dunklen Vergangnen
leuchtet die Zukunft hervor.

Brü | der, | zur | Son | ne, | zur | Frei | heit,
Brü | der | zum | Lich | te | em | por!
Hell | aus | dem | dunk | len | Ver | gang | nen
Leuch | tet | die | Zu | kunft | her | vor.

(Hermann Scherchen, „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“, 1918, Strophe 1)

Vierhebiger Daktylus

Der vierhebige Daktylus ist ein Versmaß (= Metrum), bei dem die Abfolge der Silben dem Muster betont–unbetont–unbetont (Hebung–Senkung–Senkung) entspricht.

Dieses Muster wiederholt sich in jedem Vers genau viermal. Es gibt also in jedem Vers genau vier betonte Silben (= Hebungen).

Beispiel: vierhebiger Daktylus
Mächtiger, der du die Wipfel dir beugst,
Brausend von Krone zu Krone entsteigst,
Wandle du stürmender, wandle nur fort,
Reiß mir den stürmenden Busen mit fort.

Mäch | ti | ger, | der | du | die | Wip | fel | dir | beugst,
Brau | send | von | Kro | ne | zu | Kro | ne | ent | steigst,
Wand | le | du | stür | men | der, | wan | dle | nur | fort,
Reiß | mir | den | stür | men | den | Bu | sen | mit | fort.

(Friedrich Rückert, „An den Sturmwind“, 1807, Strophe 1)

Fünfhebiger Daktylus

Der fünfhebige Daktylus ist ein Versmaß (= Metrum), bei dem die Abfolge der Silben dem Muster betont–unbetont–unbetont (Hebung–Senkung–Senkung) entspricht.

Dieses Muster wiederholt sich in jedem Vers genau viermal. Es gibt also in jedem Vers genau fünf betonte Silben (= Hebungen).

Beispiel: fünfhebiger Daktylus
Schließlich zerschlugen sie dich, von der Rache gehetzt,
während dein Klang noch in Löwen und Felsen verweilte
und in den Bäumen und Vögeln. Dort singst du noch jetzt.

Schließ | lich | zer | schlu | gen | sie | dich, | von | der | Ra | che | ge | hetzt,
wäh | rend | dein | Klang | noch | in | | wen | und | Fel | sen | ver | weil |te
und | in | den | Bäu | men | und | | geln. | Dort | singst | du | noch | jetzt.

(Rainer Maria Rilke, „Sonette an Orpheus“, XXVI. Sonett, Vers 9–11)

Daktylus im Gedicht erkennen

Um den Daktylus in einem Gedicht zu erkennen, gehst du am besten in den folgenden Schritten vor:

  1. Teile alle Wörter in den Versen in einzelne Silben auf.
  2. Markiere die betonten Silben (= Hebungen). Dazu kannst du sie z. B. unterstreichen.
  3. Bestimme, ob die Betonung der Silben dem Muster betont–unbetont–unbetont (= Hebung–Senkung–Senkung) entspricht: wenn ja, ist es ein Daktylus!

Wenn dir der zweite Schritt Probleme macht, lies dir das Gedicht selbst übertrieben deutlich vor. So kannst du die betonten Silben leichter erkennen. Beginne außerdem mit den Silben, die eindeutig betont sind. Die übrigen Silben fügen sich dann häufig in das Muster.

Wenn dir der dritte Schritt schwerfällt, kann es helfen, die Silben in einer Tabelle sauber untereinander zu schreiben. So ist das Muster leichter zu erkennen.

Metrum bestimmen mit Silbentabelle
1 2 3 4 5 6 7 8
Brü der, zur Son ne, zur Frei heit
Brü der zum Lich te em por!
Hell aus dem dunk len Ver gang nen
leuch tet die Zu kunft her vor.

In diesem Beispiel folgen die Silben dem Muster betont–unbetont–unbetont (= Hebung–Senkung–Senkung). Außerdem gibt es in jedem Vers genau drei betonte Silben (= Hebungen). Das Versmaß (= Metrum) ist also ein dreihebiger Daktylus.

Alternativ kannst du das Schema der unbetonten und betonten Silben auch hinter jedem Vers notieren. So ist das Muster ebenfalls leicht zu erkennen.

Vers Betonung der Silben
Brüder, zur Sonne, zur Freiheit —◡◡—◡◡—◡
Brüder zum Lichte empor! —◡◡—◡◡—
Hell aus dem dunklen Vergangenen —◡◡—◡◡—◡
leuchtet die Zukunft hervor. —◡◡—◡◡—
Beachte
Ein weiteres rhythmisches Merkmal von Versen ist ihre Kadenz. Bei der Bestimmung der Kadenz werden nur die letzten Silben des Verses betrachtet.

Man unterscheidet zwischen ‚männlicher‘ (‚stumpfer‘), ‚weiblicher‘ (‚klingender‘) und ‚reicher‘ Kadenz:

  • Männliche Kadenz: Die letzte Silbe ist betont.
  • Weibliche Kadenz: Die letzte Silbe ist unbetont.
  • Reiche Kadenz: Die letzten beiden Silben sind unbetont.

Im Beispielgedicht „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ von Hermann Scherchen sind die Kadenzen des 1. und 3. Verses weiblich und die des 2. und 4. Verses männlich.

Daktylus: Wirkung im Gedicht

Der Daktylus erzeugt in Gedichten häufig eine feierliche, erhabene Wirkung.

Ein Beispiel dafür ist das Gedicht „An den Sturmwind“ von Friedrich Rückert, in dem das lyrische Ich den Sturmwind anspricht und auffordert, weiterzubrausen.

Beispiel: Daktylus – feierlich, würdevolle Wirkung
Mächtiger, der du die Wipfel dir beugst,
Brausend von Krone zu Krone entsteigst,
Wandle du stürmender, wandle nur fort,
Reiß mir den stürmenden Busen mit fort.

Wie das Gewölke, das donnernd entfliegt,
Dir auf der brausenden Schwinge sich wiegt,
Führe den Geist aus dem irdischen Haus
In die Unendlichkeit stürmend hinaus.

Trage mich hin, wo die bebende Welt
Rings in Verwüstung und Trümmer zerschellt!
Über den Trümmern mit grausender Lust
Fühl’ ich den Gott in der pochenden Brust.

(Friedrich Rückert, „An den Sturmwind“, 1807)

Durch das Stürmen fühlt sich das lyrische Ich in eine erhabene, dem Alltag enthobene Stimmung versetzt. Dazu passt der außergewöhnliche Rhythmus eines regelmäßigen vierhebigen Daktylus, der in der Alltagssprache kaum vorkommt.

Je nach Inhalt des Gedichts kann der Daktylus aber auch andere Wirkungen haben. Da er einem Dreivierteltakt in der Musik ähnelt (Eins-zwei-drei, Eins-zwei-drei), kann er z. B. auch eine tänzerisch beschwingte Wirkung erzeugen.

Beachte
Zur klanglichen Gesamtwirkung eines Gedichts trägt neben dem Versmaß (= Metrum) auch das Reimschema bei. Die wichtigsten Reimschemas in deutschen Gedichten sind:

Das obige Beispielgedicht ist durchgängig im Paarreim verfasst, wodurch die erhabene, feierliche Wirkung des Daktylus noch verstärkt wird.

Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapäst

Die wichtigsten Versfüße in deutschen Gedichten sind Jambus, Trochäus, Daktylus und Anapäst.

  • Jambus und Trochäus bestehen jeweils nur aus zwei Silben.
  • Daktylus und Anapäst haben jeweils drei Silben.

Hier findest du alle Versfüße mit ihrer Betonung und zwei Beispielwörtern auf einen Blick.

Jambus, Trochäus, Daktylus, Anapäst
Versfuß Beschreibung Schema Beispiel
Jambus unbetont–betont

(= Senkung–Hebung)

◡— Gesicht

Verstand

Trochäus betont–unbetont

(= Hebung–Senkung)

—◡ Sieger

Bäume

Daktylus betont–unbetont–unbetont

(= Hebung–Senkung–Senkung)

—◡◡ nigin

wunderbar

Anapäst unbetont–unbetont–betont

(= Senkung–Senkung–Hebung)

◡◡— Paradies

Elefant

Je nachdem, wie oft sich die einzelnen Versfüße in einem Vers wiederholen, ist das Versmaß (= Metrum) z. B. ein ‚dreihebiger Jambus‘ oder ‚vierhebiger Trochäus‘.

Häufig gestellte Fragen zum Daktylus

Welche 4 Metren gibt es?

Im Schulunterricht wird meistens zwischen den folgenden 4 Metren unterschieden:

  1. Jambus: unbetont–betont (Senkung–Hebung), z. B.: ‚Verstand‘
  2. Trochäus: betont–unbetont (Hebung–Senkung), z. B.: ‚Bäcker‘
  3. Daktylus: betont–unbetont–unbetont (Hebung–Senkung–Senkung), z. B.: ‚Königin‘
  4. Anapäst: unbetont–unbetont–betont (Senkung–Senkung–Hebung), z. B.: ‚Elefant‘

Der richtige Fachbegriff für diese kleinsten rhythmischen Einheiten in einem Vers lautet ‚Versfuß‘.

Das ‚Metrum‘ oder ‚Versmaß‘ ergibt sich aus allen Versfüßen in einem Vers zusammen, z. B.: ‚fünfhebiger Jambus‘.

Tipp

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Welche Wörter sind Daktylus?

Beim Daktylus entspricht die Betonung der Silben dem Muster betont–unbetont–unbetont (= Hebung–Senkung–Senkung).

Einzelne Wörter, die wie ein Daktylus betont werden, sind z. B.:

  • | ni | gin
  • Wan| de | rung
  • wun | der | bar
  • | he | voll
  • flüs | ter | te
  • re | de | de

Der Daktylus besteht wie der Anapäst immer aus drei Silben. Jambus und Trochäus bestehen dagegen nur aus zwei Silben.

Weitere Beispiele und Erklärungen zu diesen vier Versfüßen findest du in unserem Artikel über das Metrum.

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Alexander Schnorbusch, M.A.

Alexander hat Philosophie und Literarisches Schreiben studiert und promoviert aktuell an der Hochschule für Philosophie München. Er schreibt über Grammatik, Stil und effektiven Sprachgebrauch.