Binnenreim | einfach erklärt mit Beispielen

Der Binnenreim ist eine Klangfigur in Gedichten und anderen Verstexten, bei der mindestens eines der Reimwörter in der Mitte eines Verses (= einer Zeile) steht.

Beispiel: Binnenreim
Hüpft’ ein Kätzchen oben übern Boden,
Knisterte das Mäuschen in der Ecke,
Regte sich, ich weiß nicht was, im Hause,
Immer hofft ich, deinen Schritt zu hören,
Immer glaubt ich, deinen Tritt zu hören.

(Johann Wolfgang von Goethe, „Morgenklagen“, 1788, Strophe 7)

Von einem Reim spricht man, wenn zwei Wörter ab dem letzten betonten Vokal gleich oder ähnlich klingen, hier also z. B. ‚Schritt‘ und ‚Tritt‘.

Weitere Reimformen in Gedichten sind der Eingangsreim sowie der Ausgangsreim:

  • Beim Eingangsreim reimen sich die ersten Wörter von zwei oder mehr Versen.
  • Beim Ausgangsreim reimen sich die letzten Wörter von zwei oder mehr Versen.
Tipp
Wenn du bei einer Gedichtanalyse oder Gedichtinterpretation nach einer guten Formulierung suchst, kannst du den kostenlosen Textumschreiber von QuillBot ausprobieren.

Was ist ein Binnenreim?

Beim Binnenreim steht mindestens eines der Reimwörter im Innern des Verses.

Es handelt sich um einen Fachbegriff aus der Verslehre (= Metrik), mit dem man die Form eines Reims von anderen Reimarten wie dem Ausgangsreim unterscheiden kann.

Das folgende Beispiel enthält sowohl Binnenreime als auch Ausgangsreime.

Beispiel: Binnenreim
Ach, sie bleiben an dem langen
Dürren Ast des Baumes hangen. –
Und ihr Hals wird lang und länger,
Ihr Gesang wird bang und bänger

(Aus: Wilhelm Busch, „Max und Moritz“, 1865, Erster Streich)

Es reimen sich hier einerseits die letzten Wörter der Verse, nämlich ‚langen‘ und ‚bangen‘ sowie ‚länger‘ und ‚bänger‘. Weil sie am Versende stehen, nennt man diese Reime ‚Ausgangsreime‘.

Andererseits reimen sich in den letzten beiden Versen auch die Wörter ‚lang‘, ‚Gesang‘ und ‚bang‘. Da sie im Inneren der Verse stehen, nennt man diese Reime ‚Binnenreime‘.

Beachte
Bei der Analyse des Reimschemas eines Gedichts werden nur die Ausgangsreime berücksichtigt, also die Reime am Versende. Die häufigsten Reimschemas sind:

Die obigen Beispielverse aus „Max und Moritz“ (1865) von Ernst Busch sind z. B. im Paarreim verfasst.

Binnenreim: Arten und Beispiele

Je nachdem, wo genau die Reimwörter in den Versen stehen, kann man verschiedene Arten von Binnenreimen unterscheiden. Die wichtigsten sind:

Tipp
Neben der Verwendung von Reimen trägt auch das Metrum (= Versmaß) zur klanglichen Gesamtwirkung eines Gedichts bei. Das Metrum ist der Rhythmus, der sich aus der regelmäßigen Abfolge betonter und unbetonter Silben ergibt.

Innenreim

Beim Innenreim stehen beide Reimwörter im gleichen Vers. Das eine Reimwort steht in der Versmitte, das andere am Versende.

Beispiel: Innenreim
Eine starke, schwarze Barke
Segelt trauervoll dahin.
Die vermummten und verstummten
Leichenhüter sitzen drin.

Toter Dichter, stille liegt er,
Mit entblößtem Angesicht;
Seine blauen Augen schauen
Immer noch zum Himmelslicht.

Aus der Tiefe klingts, als riefe
Eine kranke Nixenbraut,
Und die Wellen, sie zerschellen
An dem Kahn, wie Klagelaut

(Heinrich Heine, „Childe Harold“, 1844)

Mittelreim

Bei dem Mittelreim stehen die Reimwörter in verschiedenen (meist direkt aufeinanderfolgenden) Versen. Beide Reimwörter stehen im Inneren des jeweiligen Verses.

Beispiel: Mittelreim
Hüpft’ ein Kätzchen oben übern Boden,
Knisterte das Mäuschen in der Ecke,
Regte sich, ich weiß nicht was, im Hause,
Immer hofft ich, deinen Schritt zu hören,
Immer glaubt ich, deinen Tritt zu hören.

(Johann Wolfgang von Goethe, „Morgenklagen“, 1788, Strophe 7)

Zäsurreim

Beim Zäsurreim stehen die Reimwörter ebenfalls in verschiedenen (meist direkt aufeinanderfolgenden) Versen.

Sie dürfen hier jedoch nicht beliebig im Versinneren verteilt sein, sondern stehen immer direkt vor der Zäsur.

Unter einer ‚Zäsur‘ versteht man die kurze Pause in der Mitte bestimmter Versarten wie dem Langvers oder dem Alexandriner.

Der Langvers wird zum Beispiel im Nibelungenlied verwendet, aus dem das folgende Beispiel stammt.

Beispiel: Zäsurreim
Mittelhochdeutsch: 

Uns ist in alten Mæren  |  wunders vil geseit
von Helden lobebæren,  |  von grôzer arebeit,
von freuden, hôchgezîten,  |  von weinen und von klagen,
von küener recken strîten  |  muget ír nu wunder hœren sagen.

Neuhochdeutsche Übersetzung:

Uns ist in alten Geschichten | viel Wunderbares gesagt,
von ruhmreichen Helden | von großer Mühsal,
von Freuden, hohen Festen | von Weinen und von Klagen,
von kühner Recken Kämpfen | mögt ihr nun Wunder hören sagen.

(Quelle: Das Nibelungenlied, 1. Âventiure, Strophe 1)

Der Zäsurreim kann als eine besondere Form des Mittelreims angesehen werden.

Mittenreim

Auch beim Mittenreim stehen die Reimwörter in verschiedenen Verszeilen. Dabei steht jedoch nur eines der Reimwörter im Versinneren, das andere steht am Versende.

Beispiel: Mittenreim
Wenn langsam Welle sich an Welle schließet,
Im breiten Bette fließet still das Leben,
Wird jeder Wunsch verschweben in den einen:
Nichts soll des Daseins reinen Fluß dir stören.

(Friedrich Schlegel, „Der Wasserfall“, 1800, Vers 1–4)

Schlagreim

Beim Schlagreim stehen die Reimwörter innerhalb eines Verses direkt hintereinander. Die Reimwörter können dabei entweder im Versinneren oder am Versende stehen.

Beispiel: Schlagreim
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

(Rainer Maria Rilke: „Der Panther“, 1903, Strophe 1)

Echoreim

Der Echoreim ist eine Variante des Schlagreims, bei dem der Klang des zweiten Reimwortes wie ein Echo des ersten klingen soll.

Meistens entspricht das zweite Reimwort hier klanglich dem ersten oder es ist in dessen letzten zwei Silben vollständig enthalten. Echoreime stehen immer am Versende.

Beispiel: Echoreim
Glaubst du, dein Spiel könn’ irgend wem gefallen? allen.
Wem wird es denn zu lieb mit uns getrieben? Trieben.
Wer sehnt sich leeren Wiederhall zu herzen? Herzen.

(August Wilhelm Schlegel, „Waldgespräch“, 1800, Strophe 4)

Überschlagender Reim

Beim überschlagenden Reim (auch: übergehender Reim) stehen die Reimwörter wie beim Schlagreim direkt hintereinander, jedoch in aufeinanderfolgenden Verse.

Das erste Reimwort steht also am Schluss des einen Verses, das zweite Reimwort am Beginn des nächsten.

Der überschlagende Reim ist heute nur noch wenig gebräuchlich, findet sich jedoch häufiger in mittelalterlichen Gedichten.

Beispiel: Überschlagender Reim
Mittelhochdeutsch

Doch bin ich niht von senelîcher nôt behuot.
Guot ist sî diu mir vil sorgen gît,
undẹ ich ir mit willen gerne diene.

Neuhochdeutsch

Doch bin ich nicht vor sehnsüchtiger Not behütet.
Gut ist sie, die mir viel Sorgen gibt,
und ich diene ihr mit Willen gerne.

(Der Püller IV, Strophe 1, 13. Jahrhundert)

Binnenreim: Wirkung

Binnenreime können verschiedene Wirkungen erzeugen. Da man sie seltener findet als Ausgangsreime, erzeugen sie beim Lesen fast immer einen Überraschungseffekt.

Darüber hinaus können Binnenreime aber auch bildhafte Wirkungen erzeugen und dadurch inhaltliche Motive unterstreichen – wie in dem folgenden Beispiel.

Beispiel: Wirkung des Binnenreims
Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.
Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,
ein kleines kaum begonnenes Profil –.
Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges, das blendet und verschwendet
an dieses atemlose blinde Spiel …

(Rainer Maria Rilke, „Das Karussell“, 1906, letzte Strophe)

In dieser Strophe des Gedichts „Das Karussell“ (1906) von Rainer Maria Rilke reimen sich jeweils die letzten Wörter des ersten, dritten, fünften und sechsten Verses. Es handelt sich dabei um Ausgangsreime, da sie am Versende stehen.

Dass sich im sechsten Vers zusätzlich auch noch ein Binnenreim findet, überrascht beim Lesen. Zugleich passt der zusätzliche Binnenreim gut zum inhaltlichen Motiv des ‚verschwenderischen‘ Lächelns:

So wie die Kinder auf dem Karussel nicht mit ihrem Lächeln geizen, sondern es verschwenden, so verschwendet Rilke hier auch seine Reime.

Tipp
Binnenreime werden nicht nur in der Lyrik verwendet, sondern auch in Raptexten. Ein Beispiel dafür dafür ist das Lied „Chabos wissen wer der Babo ist“ (2013) von Haftbefehl:

Magnums und Uzis durchlöcherten den Tatort, Oğlum
Und du liegst danach dort tot rum, Straßenmorde Tagesordnung

Häufig gestellte Fragen zum Binnenreim

Was ist ein Gedicht mit Binnenreim?

Ein Gedicht mit Binnenreim ist „Morgenklagen“ (1788) von Johann Wolfgang von Goethe.

Ein Binnenreim findet sich hier z. B. in den letzten beiden Versen (= Zeilen) der siebten Strophe:

Hüpft’ ein Kätzchen oben übern Boden,
Knisterte das Mäuschen in der Ecke,
Regte sich, ich weiß nicht was, im Hause,
Immer hofft ich, deinen Schritt zu hören,
Immer glaubt ich, deinen Tritt zu hören.

‚Binnenreim‘ ist in der Verslehre (= Metrik) ein Fachbegriff für verschiedene Reimarten, bei denen mindestens eines der Wörter im Versinneren steht.

Im obigen Beispiel handelt es sich um einen Binnenreim, der näher als ‚Mittelreim‘ bestimmt werden kann. Weitere Arten von Binnenreim sind:

Tipp

Wenn du bei einer Gedichtanalyse oder Gedichtinterpretation nach einer guten Formulierung suchst, kannst du den kostenlosen Textumschreiber von QuillBot ausprobieren.

Ist dieser Artikel hilfreich?
Alexander Schnorbusch, M.A.

Alexander hat Philosophie und Literarisches Schreiben studiert und promoviert aktuell an der Hochschule für Philosophie München. Er schreibt über Grammatik, Stil und effektiven Sprachgebrauch.