Umarmender Reim | Wirkung & Beispiele
Der umarmende Reim ist ein Reimschema, bei dem die Reime dem Muster a-b-b-a folgen.
Er besteht also aus zwei Reimpaaren, bei denen das eine Reimpaar das andere ‚umarmt‘.
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, | (a) |
In allen Lüften hallt es wie Geschrei. | (b) |
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei | (b) |
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut. | (a) |
(Jakob von Hoddis, „Weltende“, 1911, Strophe 1)
Der umarmende Reim ist neben dem Paarreim und dem Kreuzreim eines der häufigsten Reimschemas in deutschen Gedichten.
Er wird manchmal auch als ‚umschließender Reim‘, ‚umfassender Reim‘ oder ‚Blockreim‘ bezeichnet.
Was ist ein umarmender Reim? (Beispiel)
Der umarmende Reim ist ein häufiges Reimschema in deutschen Gedichten.
Um das Reimschema zu bestimmen, markiert man die Ausgangsreime jeweils mit einem Kleinbuchstaben. Beim umarmenden Reim ergibt sich daraus das Muster a-b-b-a.
Jeder neue Reim erhält bei der Bestimmung des Reimschemas einen neuen Kleinbuchstaben in der Reihenfolge des Alphabets.
So umfasst der folgende Auszug aus dem Gedicht „Sehnsucht“ von Sophia Albrecht drei aufeinanderfolgende umarmende Reime mit der Reimfolge a-b-b-a-c-d-d-c-e-f-f-e.
Entfernter Freund! | (a) |
Um den auf immer | (b) |
Im stillen Zimmer | (b) |
Mein Auge weint; | (a) |
Dann, wenn die Sterne | (c) |
Am Himmel blinken, | (d) |
Und Liebe winken, | (d) |
Denk ich der Ferne | (c) |
In der du, ach! | (e) |
Jetzt um mich leidest, | (f) |
Und Freuden meidest, | (f) |
Mit Thränen nach. | (e) |
(Sophia Albrecht, „Sehnsucht“, 1779, Strophe 1, Vers 1–12)
Umarmender Reim: Wirkung
Der umarmende Reim (a-b-b-a) kann verschiedene Wirkungen haben:
Überraschungseffekt erzeugen
Die erste mögliche Wirkung des umarmenden Reims besteht darin, einen Überraschungseffekt zu erzeugen.
So folgen auf den ersten Vers des Gedichts „Weltende“ von Jakob von Hoddis zunächst zwei Verse mit einem anderen Reimpaar am Versende (Geschrei–entzwei).
Man rechnet beim Lesen dann schon nicht mehr damit, dass nun auch noch ein Reim auf das Ende des ersten Verses folgt (Hut–Flut).
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, | (a) |
In allen Lüften hallt es wie Geschrei. | (b) |
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei | (b) |
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut. | (a) |
(Jakob von Hoddis, „Weltende“, 1911, Strophe 1)
Inhaltliche Motive unterstreichen
Die zweite mögliche Wirkung des umarmenden Reims besteht darin, inhaltliche Motive wie Liebe, Sehnsucht, Versöhnung, Lob oder Dank zu unterstreichen.
So werden in dem Gedicht „Großer Dankchoral“ von Bertolt Brecht die Lesenden dazu aufgerufen, die Welt und ihre Vergänglichkeit zu loben.
Diese innere Haltung des Lobes und der Dankbarkeit wird durch den umarmenden Reim auf der formalen Ebene gespiegelt.
So wie die Lesenden die Welt und ihre Vergänglichkeit loben und ‚umarmen‘ sollen, so umarmen sich hier auch die Reimpaare der einzelnen Strophen.
Lobet die Nacht und die Finsternis, die euch umfangen! | (a) |
Kommet zuhauf | (b) |
schaut in den Himmel hinauf: | (b) |
Schon ist der Tag euch vergangen. | (a) |
Lobet das Gras und die Tiere, die neben euch leben und sterben! | (c) |
Sehet wie ihr | (d) |
lebet das Gras und das Tier | (d) |
und es muss auch mit euch sterben. | (c) |
Lobet den Baum, der aus Aas aufwächst jauchzend zum Himmel! | (e) |
Lobet das Aas | (f) |
lobet den Baum, der es fraß | (f) |
aber auch lobet den Himmel. | (e) |
Lobet von Herzen das schlechte Gedächtnis des Himmels! | (g) |
Und daß er nicht | (h) |
weiß euren Nam‘ noch Gesicht | (h) |
niemand weiß, daß ihr noch da seid. | (i) |
Lobet die Kälte, die Finsternis und das Verderben! | (j) |
Schauet hinan: | (k) |
Es kommt nicht auf euch an | (k) |
und ihr könnt unbesorgt sterben. | (j) |
(Bertolt Brecht, „Großer Dankchoral“, 1927, Strophe 1–3)
Es fällt auf, dass Brecht in der vierten Strophe einmal vom Reimschema abweicht, denn die Versenden ‚Himmels‘ (g) und ‚seid‘ (i) reimen sich nicht.
Dadurch werden diese beiden Verse besonders hervorgehoben und die Lesenden eingeladen, die Abweichung näher zu interpretieren.
Paarreim, Kreuzreim, umarmender Reim: die wichtigsten Reimschemas im Überblick
Paarreim, Kreuzreim und umarmender Reim sind die drei häufigsten Reimschemas in deutschen Gedichten.
Sie bestehen jeweils aus zwei Reimpaaren, die jedoch unterschiedlich angeordnet sind.
Im Paarreim reimen sich zwei direkt aufeinanderfolgende Verse, im Kreuzreim reimt sich jeder zweite Vers und beim umarmenden Reim umschließt das eine Reimpaar das andere:
- Paarreim: a-a-b-b
- Kreuzreim: a-b-a-b
- umarmender Reim: a-b-b-a
Häufig gestellte Fragen zum umarmenden Reim
- Ist abba ein umarmender Reim?
-
Ja, wenn sich die Reime in einem Gedicht nach dem Muster a-b-b-a reimen, handelt es sich um einen umarmenden Reim.
Manchmal wird der umarmende Reim auch als ‚umschließender Reim‘, ‚umfassender Reim‘ oder ‚Blockreim‘ bezeichnet.
Einen Überblick aller Reimschemas mit Erklärungen und Beispielen findest du in unserem Artikel über das Reimschema.
Wenn du bei einer Gedichtanalyse oder Gedichtinterpretation nach einer treffenden Formulierung suchst, kann dir dabei der kostenlose Text-Umschreiber von QuillBot helfen.
- Welche 3 Reime gibt es?
-
Die häufigsten 3 Reime in deutschen Gedichten sind:
- Paarreim: a-a-b-b
- Kreuzreim: a-b-a-b
- Umarmender Reim: a-b-b-a
Einen Überblick aller Reimschemas mit Erklärungen und Beispielen findest du in unserem Artikel über das Reimschema.
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