Was ist ein Vers? | einfach erklärt mit Beispielen
Ein Vers ist eine Zeile in einem Verstext. Dazu zählen vor allem Gedichte, aber auch Versdramen und Songtexte. Statt ‚Vers‘ kann man auch ‚Verszeile‘ sagen.
Der folgende Auszug aus dem Gedicht „Wilkommen und Abschied“ von Johann Wolfgang von Goethe besteht aus vier Versen.
Bei Versen bestimmt der Autor oder die Autorin, wo eine Zeile endet und wo die nächste beginnt. Die Zeilenumbrüche sind somit nicht zufällig, sondern erfüllen eine Funktion und können interpretiert werden.
Verschiedene Arten von Versen
Es gibt verschiedene Arten von Versen. Dabei kann man zunächst zwischen zwischen
- Versen in gebundener Rede und
- freien Versen unterscheiden.
Von gebundener Rede spricht man, wenn Verse nach bestimmten Regeln gestaltet sind. Sie haben zum Beispiel ein bestimmtes Versmaß oder sie reimen sich mit anderen Versen nach einem bestimmten Muster (Reimschema).
Es gibt jedoch auch Verse, die weder ein bestimmtes Versmaß haben noch in ein Reimschema eingebunden sind. In diesem Fall spricht man von freien Versen.
Beide Versarten haben gemeinsam, dass der Autor oder die Autorin bestimmt, wo die Zeile endet und wo eine neue beginnt. Die Zeilenumbrüche tragen somit Bedeutung und können interpretiert werden.
Betonung im Vers: Versmaß und Versfuß
Das Versmaß (= Metrum) ist der Rhythmus eines Verstextes. Der Rhythmus entsteht durch die regelmäßige Abfolge betonter und unbetonter Silben in den einzelnen Versen.
Die kleinste rhythmische Einheit aus betonten und unbetonten Silben nennt man Versfuß. Die wichtigsten Versfüße sind:
- Jambus = unbetont–betont
- Trochäus = betont–unbetont
- Anapest = unbetont–unbetont–betont
- Daktylus = betont–unbetont–unbetont
Um das Versmaß festzustellen, muss man als Erstes die betonten und unbetonten Silben bestimmen. Im folgenden Beispiel sind die betonten Silben unterstrichen.
Es ergibt sich ein Muster aus abwechselnd unbetonten und betonten Silben. Nur im zweiten Vers wird dieser Rhythmus bei ‚Und fort, | wild wie‘ einmal variiert, denn hier folgen zwei betonte Silben aufeinander.
Zudem fällt auf, dass jeder Vers in dem Beispiel genau vier betonte Silben (= Hebungen) enthält. Das Versmaß kann somit als ‚vierhebiger Jambus‘ bestimmt werden.
- ‚Vierhebig‘ bedeutet, dass es pro Vers vier betonte Silben (Hebungen) gibt.
- ‚Jambus‘ ist der Name des Versfußes, bei dem die Abfolge der Silben dem Muster ‚unbetont–betont‘ folgt.
Die kleine Abweichung im zweiten Vers (‚Und fort, | wild wie‘) bedeutet nicht, dass es kein Versmaß gibt. Stattdessen kann man sie als Einladung zur Interpretation auffassen.
Im Beispiel lässt sich die Abweichung vom Versmaß als rhythmische Entsprechung des wilden Reitens deuten. So wild wie der Reiter reitet, so wild ist hier auch das Versmaß.
Reim und Reimschema in Versen
Wenn zwei Wörter auf gleich oder ähnlich klingende Silben enden, spricht man von einem Reim (z. B.: Pferde–Erde, Schlacht-Nacht).
Folgen die Reime am Versende einem regelmäßigen Muster, bezeichnet man dieses als Reimschema.
Man kann das Reimschema bestimmen, indem man die Verse, die sich reimen, jeweils mit einem Buchstaben markiert.
Wenn sich wie hier jeder zweite Vers reimt, bezeichnet man dies als Kreuzreim. Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere Reimschemas. Die wichtigsten sind:
- Paarreim: a-a-b-b
- Kreuzreim: a-b-a-b
- umarmender Reim: a-b-b-a
- Schweifreim: a-a-b-c-c-b
Der Kreuzreim erzeugt Abwechslung und steigert die Dynamik zwischen den Versen. In unserem Beispiel wird dadurch das inhaltliche Motiv des lyrischen Ichs unterstrichen, das nachts eilig zu seiner Geliebten reitet.
Vers und Strophe
Viele Gedichte sind nicht nur in Verse, sondern darüber hinaus in Strophen unterteilt, die durch Leerzeilen voneinander abgesetzt werden.
Strophen umfassen mindestens zwei Verse. Die genaue Anzahl von Versen ist nicht festgelegt, allerdings sind es selten mehr als acht Verse pro Strophe.
Das Gedicht „Willkommen und Abschied“ von Johann Wolfgang von Goethe ist z. B. in vier Strophen zu je acht Versen unterteilt.
Ein häufiges Stilmittel in Verstexten ist das Enjambement (= Zeilensprung). Bei einem Enjambement geht ein Satz über die Versgrenze hinaus. Manchmal werden auch Strophen durch ein sogenanntes Strophen-Enjambement miteinander verbunden.
Häufig gestellte Fragen zum Vers
- Was ist der Unterschied zwischen einem Vers und einer Strophe?
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Bei einem Vers handelt es sich um eine einzelne Verszeile in einem Verstext.
Strophen umfassen dagegen stets mehrere Verse.
Gedichte, Versdramen und Songtexte sind häufig in Strophen aus je mehreren Versen gegliedert.
- Was ist der Unterschied zwischen einem Vers und einer Zeile?
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Bei Versen entscheidet der Autor oder die Autorin, wo die Zeile beginnt und wo sie endet. Die Zeilenumbrüche sind somit nicht zufällig, sondern erfüllen eine Funktion.
Bei Texten, die nicht in Versen geschrieben sind (z. B. Prosa, Zeitschriftenartikel oder wissenschaftliche Aufsätze), ist dies nicht der Fall. Hier wird das Ende der Zeile zufällig durch Schrift- und Papiergröße bestimmt.
Außerdem sind Verse häufig in gebundener Sprache geschrieben. Sie haben z. B. ein bestimmtes Metrum oder sind in ein Reimschema eingebunden.