Das Gerundiv im Deutschen: Bildung und Verwendung
Das Gerundiv ist eine Verbform wie ‚zu besichtigend‘.
Mit dem Gerundiv wird ausgedrückt, dass etwas getan werden kann (= Möglichkeit) oder getan werden muss bzw. soll (= Notwendigkeit).
- Das Haus kann besichtigt werden
Notwendigkeit: das zu renovierende Haus
- Das Haus muss/soll renoviert werden.
Du verwendest das Gerundiv meist wie ein Adjektiv (= Eigenschaftswort).
Es steht vor einem Substantiv, an das es in Genus (= grammatisches Geschlecht), Numerus (= Anzahl) und Kasus (= Fall) angepasst wird.
Die zu besichtigenden Häuser stehen zum Verkauf.
Bildung des Gerundivs
Du bildest das Gerundiv, indem du das Wort ‚zu‘ mit dem Partizip 1 eines Verbs verknüpfst.
Das Partizip 1 ist eine Verbform wie ‚kaufend‘. Um es zu bilden, hängst du an den Infinitiv (= die Grundform) eines Verbs ein ‚-d‘ an.
Infinitiv | Partizip 1 | Gerundiv |
---|---|---|
kaufen | kaufend | zu kaufend |
lesen | lesend | zu lesend |
schreiben | schreibend | zu schreibend |
Bei Verben mit einer trennbaren Vorsilbe (= trennbaren Verben) wird ‚zu‘ in das Partizip 1 eingeschoben, und zwar direkt nach der Vorsilbe.
Infinitiv | Partizip 1 | Gerundiv |
aufkaufen | aufkaufend | aufzukaufend |
nachlesen | nachlesend | nachzulesend |
vorschreiben | vorschreibend | vorzuschreibend |
Du erkennst ein trennbares Verb daran, dass seine Vorsilbe im Satz vom Verbstamm getrennt werden kann.
Der Verbstamm ist das, was übrig bleibt, wenn du den Infinitiv um die Endung ‚-en‘ kürzt. Der Verbstamm von ‚ziehen‘ ist beispielsweise ‚zieh-‘.
- Richtig: Thea zieht sich eine Jacke an.
- Falsch: Thea anzieht sich eine Jacke.
Ein Verb ist trennbar, wenn es eine der folgenden Vorsilben hat:
- ab-
- an-
- auf-
- aus-
- bei-
- ein-
- her-
- hin-
- mit-
- nach-
- vor-
- zu-
- durch-
- hinter-
- über-
- um-
- unter-
- wider-
Wenn im Verb die jeweilige Vorsilbe betont wird, ist sie trennbar. Wenn dagegen der andere Teil des Verbs betont wird, ist die Vorsilbe nicht trennbar.
Betonte Vorsilbe: Thea zieht sich eine Jacke über.
- Hier wird ‚über‘ betont. Die Vorsilbe ist daher trennbar.
Unbetonte Vorsilbe: Thea überzieht ihr Konto.
- Hier liegt die Betonung nicht auf ‚über-‘, sondern auf ‚-zieht‘. Die Vorsilbe ist deshalb nicht trennbar.
Verwendung des Gerundivs
Du verwendest das Gerundiv meist als Adjektiv (= Eigenschaftswort), mit dem ein Substantiv näher beschrieben wird.
Das Gerundiv steht vor dem Substantiv und stimmt damit überein in Genus (= Geschlecht), Numerus (= Anzahl) und Kasus (= Fall).
Die Lektorin wartet auf die zu korrigierenden Masterarbeiten.
Du kannst mit dem Gerundiv ausdrücken, dass etwas gemacht werden kann (= Möglichkeit) oder gemacht werden muss bzw. soll (= Notwendigkeit).
Ob eine Möglichkeit oder eine Notwendigkeit gemeint ist, kannst du durch Signalwörter wie ‚leicht‘ oder ‚unbedingt‘ verdeutlichen.
- Die Masterarbeit kann leicht korrigiert werden.
Notwendigkeit: Die unbedingt zu korrigierende Masterarbeit
- Die Masterarbeit muss korrigiert werden.
Zudem wird das Gerundiv in seltenen Fällen als Substantiv verwendet.
Was du anstatt des Gerundivs verwenden kannst
Das Gerundiv klingt oft unnatürlich und wird deshalb kaum in Gesprächen verwendet, sondern hauptsächlich in der Schriftsprache.
Um das Gerundiv zu vermeiden, kannst du die fünf Alternativen der folgenden Tabelle nutzen. Die Alternativen werden anhand des Beispiels ‚das zu lesende Buch‘ gezeigt.
Alternative | Beispiel |
---|---|
1. Passiv + können/müssen/sollen | Das Buch kann/muss/soll gelesen werden. |
2. sein + zu | Das Buch ist zu lesen. |
3. sich lassen | Das Buch lässt sich lesen. |
4. man + können/müssen/sollen | Man kann/muss/soll das Buch lesen. |
5. Adjektiv auf ‚-bar‘ | Das ist ein lesbares Buch.
Beachte: Hier wird nur eine Möglichkeit ausgedrückt, keine Notwendigkeit. |
Gerundiv und Partizip 1: Unterschied einfach erklärt
Sowohl mit dem Gerundiv als auch mit dem Partizip 1 werden Handlungen beschrieben.
Beim Gerundiv ist die Handlung passiv, während sie beim Partizip 1 aktiv ist.
Das heißt, beim Gerundiv geschieht etwas mit einer Sache oder Person. Beim Partizip 1 macht die Sache oder Person hingegen selbst etwas.
Beim Gerundiv wird zudem eine Möglichkeit oder Notwendigkeit beschrieben, was beim Partizip 1 nicht der Fall ist.
- Das Fahrrad kann leicht repariert werden.
Gerundiv – Notwendigkeit: das bis morgen zu reparierende Fahrrad
- Das Fahrrad muss/soll bis morgen repariert werden.
Partizip 1: das rostende Fahrrad
Sowohl das Partizip 1 wie auch das Gerundiv können als Adjektiv und als Substantiv verwendet werden.
Partizip 1 – Substantiv: Die Ausbildenden zeigen das Verfahren.
Gerundiv – Adjektiv: Die zu prüfenden Studierenden sitzen im Hörsaal.
Gerundiv – Substantiv: Die Auszubildenden üben das Verfahren.
Mit dem Partizip 1 kannst du außerdem einen Partizipialsatz bilden, indem du es mit anderen Wörtern kombinierst.
Bei einem Partizipialsatz handelt es sich um einen Satz, in dem die Aussage durch ein Partizip ausgedrückt wird.
Häufig gestellte Fragen zum Gerundiv
- Was ist das Gerundiv in der deutschen Grammatik?
-
Das Gerundiv ist in der deutschen Grammatik eine Verbform wie ‚zu gewinnend‘.
Du drückst mit dem Gerundiv Folgendes aus:
- etwas kann getan werden (= Möglichkeit)
- etwas muss bzw. soll getan werden (= Notwendigkeit)
Möglichkeit: Die Mannschaft hat morgen ein leicht zu gewinnendes Spiel.
Notwendigkeit: Die Mannschaft hat morgen ein unbedingt zu gewinnendes Spiel.
- Was ist das prädikative Gerundiv?
-
Das prädikative Gerundiv ist ein Gerundiv, das als Prädikativ verwendet wird.
Beim Prädikativ handelt es sich um ein Satzglied, mit dem die Eigenschaft oder der Zustand einer Person oder Sache im Satz ausgedrückt werden kann.
Das prädikative Gerundiv gibt es im Lateinischen, jedoch nicht im Deutschen.
- Wie unterscheide ich Gerundiv und Partizip 1?
-
Das Gerundiv und das Partizip 1 unterscheiden sich wie folgt:
Mit dem Gerundiv wird eine passive Handlung beschrieben, wogegen die Handlung beim Partizip 1 aktiv ist.
Beim Gerundiv wird zudem eine Möglichkeit oder Notwendigkeit ausgedrückt, während das beim Partizip 1 nicht der Fall ist.
Gerundiv – Möglichkeit: Das leicht zu reparierende Auto kommt heute in die Werkstatt.
Gerundiv – Notwendigkeit: Das unbedingt zu reparierende Auto kommt heute in die Werkstatt.
Partizip 1: Das rostende Auto kommt heute in die Werkstatt.