Was ist Ethos? | Definition, Bedeutung und Beispiele

Ethos ist eine Überzeugungstechnik (= ethischer Appell), bei der sich Personen auf ihre Glaubwürdigkeit oder ihren Charakter stützen, um andere zu überzeugen.

Wenn jemand als vertrauenswürdig erscheint, sind wir empfänglich für dessen Botschaft.

Daher bemühen sich redende und schreibende Personen, uns zu vermitteln, dass sie in der Sache kompetent und aufrichtig sind und es sich daher lohnt, ihnen zuzuhören.

Ethos Beispiel
Ein Politiker spricht zu einem Publikum von Arbeiterinnen und Arbeitern und betont seine Erfahrung als Fabrikarbeiter.

Er stellt eine gemeinsame Basis mit den Arbeiterinnen und Arbeitern her und zeigt, dass er ihre Herausforderungen und Sorgen versteht.

Ethos begegnet dir in verschiedenen Kontexten, in denen es um Überzeugung und Argumentation geht, z. B. in der Politik, in der Werbung und in Gerichtsverfahren.

Ethos: Definition

Ethos im weitesten Sinne umfasst den moralischen Charakter, die Gesinnung oder die grundlegenden Werte einer Person, Gruppe oder Organisation.

Das Ethos eines Unternehmens meint dessen Geschäftskultur und Werte, z. B. faire und respektvolle Behandlung der Mitarbeitenden.

‚Ethos‘ hat die gleiche sprachliche Wurzel wie ‚Ethik‘, ein Bereich der Philosophie, der sich damit beschäftigt, was moralisch richtig und falsch ist.

In der Rhetorik ist Ethos eine Art der Überzeugung. Es bezieht sich auf die Glaubwürdigkeit, die Autorität oder den guten Charakter der redenden oder schreibenden Person.

Es geht darum, wie gut sie darin ist, das Publikum zu überzeugen, dass sie zu einem Thema qualifiziert ist.

Wenn z. B. ein Journalist, der über den Aktienmarkt schreibt, von seiner langjährigen Tätigkeit bei einer Investmentbank erzählt, ist das ein Appell an das Ethos: Er signalisiert den Lesenden seine Glaubwürdigkeit.

Ethos, Pathos, Logos

Ethos, Pathos und Logos sind nach dem Philosophen Aristoteles die drei grundlegenden Formen der Überzeugung (= rhetorische Appelle). Gute Argumente sollten alle drei Appelle in sich vereinen, um eine vielschichtige Wirkung zu erzielen.

  • Ethos (= ethischer Appell) soll das Publikum vom guten Charakter und der Glaubwürdigkeit der schreibenden oder vortragenden Person überzeugen. Indem sie ihre Integrität, Erfahrung und ihr Wissen unter Beweis stellt, wird es wahrscheinlicher, dass die Zuhörenden ihr vertrauen und ihren Standpunkt akzeptieren.
  • Pathos (= pathetischer Appell) soll bei den Zuhörenden bestimmte Gefühle wie Wut, Traurigkeit oder Freude hervorrufen. Das Ziel der schreibenden oder redenden Person ist es, eine emotionale Verbindung zum Publikum herzustellen und es für ihre Botschaft empfänglicher zu machen.
  • Logos (= logischer Appell) soll den Sinn des Publikums für Logik und Rationalität ansprechen. Sachliche Beweise, Statistiken und gut strukturierte Argumente sind Appelle an die Logik.

Kurz gesagt: Ethos bezieht sich auf die redende oder schreibende Person, Pathos auf das Publikum und Logos auf die Botschaft oder den Text selbst.

Beachte
Du musst nicht alle drei Appelle in jedem Argument verwenden. Kontext und Thema entscheiden darüber, welche Strategie die beste ist. Im Zweifelsfall ist es jedoch am besten, einen ausgewogenen Ansatz zu wählen.

Außerdem kann ein übermäßiger Einsatz eines der Appelle auf Kosten der anderen die Wirksamkeit der Botschaft schwächen und die Zuhörenden vergraulen.

So kann etwa ein übermäßiger Einsatz von Ethos ohne logische Argumentation oder objektive Beweise als manipulativ oder unaufrichtig empfunden werden.

Ethos: Beispiele

Ethos wird in verschiedenen Bereichen unterschiedlich eingesetzt.

Die Funktion des Ethos in der Werbung besteht zum einen darin, die Glaubwürdigkeit zu unterstreichen. Zum anderen sollen Konsumierende davon überzeugt werden, der Marke, dem Produkt oder der Botschaft zu vertrauen.

Ethos: Beispiele in der Werbung
Zu den ethischen Appellen in der Werbung gehören prominente Befürworter oder Aussagen von Fachleuten (oder von Schauspielern, die als Fachleute verkleidet sind).

Auch Auszeichnungen und Zertifizierungen der Branche sind Beispiele dafür.

Auf dem Bildschirm kann dies wie folgt aussehen:

  • Ein Werbespot für eine Luxusuhr, in dem eine international anerkannte Schauspielerin für die Marke wirbt.
  • Ein Werbespot für Hustensaft, in dem eine Person in weißem Kittel und mit Stethoskop den Zuschauenden versichert, dass der Sirup Husten und Halsreizungen lindert.
  • Ein Werbespot für Gourmet-Kaffee, in dem die Zertifizierungen und Auszeichnungen der Marke gezeigt werden, um deren Ruf als Unternehmen zu unterstreichen, das für seine ethischen und fairen Handelspraktiken bekannt ist.

Ethos ist ein wichtiger Aspekt der Überzeugungsarbeit im Gerichtssaal, zumal Anwälten und Anwältinnen standardmäßig mit Misstrauen begegnet wird.

Ethos: Beispiel im Gerichtssaal
Um Ethos aufzubauen und aufrechtzuerhalten, müssen Anwälte und Anwältinnen den Geschworenen ihre Vertrauenswürdigkeit, Integrität und Autorität beweisen.

Beispiele für Ethos im Gerichtssaal sind:

  • Ein Anwalt, der einen gut recherchierten und gut organisierten Fall vorträgt.
  • Eine Anwältin, die den Ruf hat, in allen Aspekten des Gerichtsverfahrens transparent zu sein, z. B. relevante Informationen offenzulegen, wahrheitsgemäße Argumente vorzubringen und irreführende Aussagen zu vermeiden.
  • Ein Anwalt, der Professionalität, Respekt und Integrität im Umgang mit dem Gericht, den Zeuginnen und Zeugen und den Geschworenen an den Tag legt.

Wie du Ethos erkennst

Um festzustellen, ob eine redende oder schreibende Person versucht, Ethos zu zeigen, kannst du dir die folgenden Fragen stellen:

  • Werden zuverlässige Quellen verwendet? In einem akademischen Artikel zum Beispiel erwarten wir maßgebliche, glaubwürdige Quellen wie von Fachleuten geprüfte Zeitschriften, seriöse Veröffentlichungen oder Regierungsberichte.
  • Wurde das Thema fair untersucht? Werden alle Gegenargumente berücksichtigt und alle Gemeinsamkeiten zwischen diesen und dem eigenen Standpunkt untersucht, bevor sie schließlich widerlegt werden?
  • Gibt es Belege? Hier erwarten wir Nachweise der Verfassenden, dass sie über relevante akademische oder berufliche Qualifikationen verfügen, um über das Thema zu sprechen. Ein Physiklehrer könnte z. B. seinen Doktortitel in Physik hervorheben, um seine Glaubwürdigkeit zu untermauern. Alternativ kann er auch seine persönlichen Erfahrungen mit einem Thema einbringen.
  • Behandelt sie andere mit Respekt? Ein respektvoller Umgang mit den Zuhörenden und allen, die eine andere Meinung haben als man selbst, zeugt vom Charakter der redenden oder schreibenden Person.

Setzt sie symbolische Autorität ein? Verweise auf Symbole, die für Autorität stehen, können dem Redner oder der Rednerin Glaubwürdigkeit verleihen. Wenn ein Kandidat beispielsweise eine Rede vor der Nationalflagge oder einem wichtigen nationalen Denkmal hält, verbindet er sich mit dem Symbol und ‚leiht‘ sich die Autorität, die es repräsentiert.

Häufig gestellte Fragen zu Ethos

Was ist ein Beispiel für Ethos?

Ein Beispiel für Ethos ist die ‚Technik der einfachen Leute‘, die in der Werbung und in politischen Kampagnen verwendet wird.

Politikerinnen und Politiker können beispielsweise versuchen, sich selbst als durchschnittliche, gewöhnliche Menschen darzustellen, die gerne Fastfood essen oder Hausarbeiten erledigen.

Damit wollen sie ihre Zuhörenden davon überzeugen, dass sie sich in ihre Sorgen einfühlen können.

Was sind Logos, Pathos und Ethos?

Logos, Pathos und Ethos sind die drei Arten der Überzeugung bzw. der Überredung von Menschen. Genauer gesagt:

  • Der Logos appelliert an die Vernunft des Publikums. Dabei werden logische Argumente, Statistiken und Fakten präsentiert.
  • Pathos appelliert an die Gefühle des Publikums. Es geht darum, die Emotionen des Publikums durch Geschichten oder suggestive Sprache zu beeinflussen, um den Standpunkt der sprechenden Person zu akzeptieren.
  • Ethos appelliert an die Glaubwürdigkeit der sprechenden oder schreibenden Person. Es geht darum, die Autorität, die Vertrauenswürdigkeit und den moralischen Charakter der sprechenden oder schreibenden Person herauszustellen und das Publikum dazu zu bringen, ihr zu vertrauen.
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Dr. Constanze Wilkie-Fiebach

Conny hat einen Doktortitel in Literatur, ist ausgebildete DaF-Lehrerin und unterrichtet seit 15 Jahren an der Uni. Jegliche Art des Schreibens, von kreativ bis wissenschaftlich, mag sie sehr.